Es ist der 21. November 2024 und im südbrandenburgischen Senftenberg hält der Winter Einzug. Trotz Glatteis und Schneefall reisten rund 250 PhysiotherapeutInnen aus ganz Deutschland in den Osten der Republik, um sich an der brandenburgischen Technischen Universität Senftenberg (BTU) über die aktuelle Forschungslage der Physiotherapie zu informieren und zu diskutieren. Fast schon symbolisch standen die Strapazen der Anreise für das diesjährige Motto des Forschungssymposiums: „Bridging the Gap“. Denn in der Physiotherapie gilt es nicht nur Distanzen bis zum nächsten Kongress zu überwinden, sondern auch die Lücke zwischen Vergangenheit und Moderne, zwischen Evidenz und Praxis und damit auch zwischen einer nicht-akademisierten und akademischen Physiotherapie. Dazu dienten wieder zahlreiche Workshops, Vorträge, Postersessions und auch die Treffen der Sektionen der deutschen Gesellschaft für Physiotherapiewissenschaften (DGPTW).
Probleme erkennen, Wissenschaft verbessern
Professor Christian Kopkow und sein Organisations-Team hatten alle Hände voll zu tun, um das straffe Programm in zwei Tagen unterzubekommen. Dazu änderten sie erstmalig die Grundstruktur, was für weniger Leerlauf und so für noch mehr fachlichen Input sorgte. So blieb am Freitag zwischen der Eröffnung durch Hochschul-Präsidentin Gesinde Grande um 08:45 Uhr und dem Ende der letzten Vorträge in Form eines Science-Slams um 20:00 Uhr kaum Zeit zum Verschnaufen – verpassen wollte schließlich niemand etwas.
Ein Kernthema der diesjährigen Vorträge stellte die Abnahme von Qualität in der Wissenschaft durch den immer stärker werdenden Publikationswahnsinn dar. Hans Lund, Professor an der Süddänischen Universität, beklagte in seiner Keynote die Redundanz medizinischer Forschung. Bereits in den 90er Jahren wiederholten Forscher im medizinischen Bereich immer wieder dieselben Studien mit denselben Ergebnissen, was bereits zu jener Zeit bemängelt wurde. Daraus gelernt wurde offensichtlich nichts, denn mittlerweile tut es die Physiotherapie der Medizin gleich und repliziert immer wieder die gleiche Forschung.
Als Folge entsteht durch dieses Vorgehen nicht nur wissenschaftlicher „Garbage“ (Müll), sondern auch unnötige Mehrausgaben und eine Gefährdung von PatientInnen. Denn überflüssige Studien benötigen immer wieder auch unnötige Kontrollgruppen, mit der Konsequenz, dass PatienInnen bereits nachgewiesen effektive Maßnahmen vorenthalten werden. In das gleiche Horn stieß Cordula Braun von Cochrane Deutschland später bei ihrem Fachvortrag „Sind systematische Reviews noch nützliche Wissenschaft?“, in dem sie die Flut von Übersichtsarbeiten zu ein und demselben Thema bemängelte.
Einen Lösungsvorschlag gegen die Publikationsflut präsentierte am Abend Professorin Anne Gärtner in ihrem Keynote-Vortrag. Die Psychologin wurde dieses Jahr von der Einstein-Stiftung mit dem Early Career Award ausgezeichnet. Sie entwickelte das „Responsible Research Assessment“, dass es Hochschulen ermöglichen soll, ProfessorInnen im Hinblick auf ihr gesamtes Forschungsprofil zu habilitieren. Derzeit zähle nämlich vor allem eines in der Hochschul-Laufbahn: Die Anzahl der Publikationen und das müsse sich schleunigst ändern.
Hohe Qualität
Alle präsentierten Vorträge und Poster durchlaufen vor dem Kongress einen Begutachtungsprozess, erklärte uns der diesjährige verantwortliche Professor Kopkow. Zwei Personen scannen unabhängig die zuvor eingereichten Abstracts und beurteilen was gut ist und was nicht. Das Resultat sind durchweg qualitativ hochwertige Arbeiten aus allen Bereichen der Physiotherapie. „Das ist nicht nur eine Veranstaltung für Menschen aus den Hochschulen und der Wissenschaft, sondern natürlich auch für alle aus der Versorgung, die sagen, ich möchte mich der Wissenschaft nähern.“ Wichtig sei es, Barrieren abzubauen vom Transfer der Wissenschaft in die Praxis, aber natürlich auch andersherum, Einflüsse von der Praxis auf die Wissenschaft zu gewährleisten, betont Kopkow weiterhin, der aktuell die Implementierung des GLAD-Programms in Deutschland begleitet. Dies geschähe vor allem im Austausch auch außerhalb der Fachvorträge, etwa bei Workshops oder auch bei der Abendveranstaltung.
Preise
Der Hochschulkontext stand zwar wie immer im Mittelpunkt des Kongresses, für Praktizierende gab es dennoch eine Menge zu lernen. Das Profil der vorgestellten wissenschaftlichen Arbeiten erstreckte sich über alle Physiotherapiebereiche. Zu erkennen ist dies bereits am Themenspektrum der ausgezeichneten Arbeiten. Die diesjährigen Preise für die besten Vorträge erhielten:
Marion Grafe, für ihre Arbeit „Körperliche Aktivität im Krankenhaus – Pilotierung einer Erhebung mittels behavioral mapping Protokoll“
Tobias Braun für seine Arbeit über „Prävention für mehr Teilhabe im Alter (PromeTheus): eine multifaktorielle, interdisziplinäre Intervention zur Prävention von Mobilitätseinschränkungen und zur Förderung von sozialer Teilhabe für ältere Menschen mit Frailty – Studienprotokoll einer randomisierten kontrollierten Studie und erste Ergebnisse zur Adhärenz des körperlichen Trainingsprogramms“
Cornelia Schlick für ihren Vortrag über „Lernen am KI-Patienten – der Einsatz eines neuen Trainingstools für Studierende der Gesundheitsberufe“.
Die diesjährigen Preise für die besten Poster erhielten:
Andreas Haueise für seine Studie über die „Validierung eines semi-automatisierten Algorithmus zur standardisierten Analyse von Scherwellenelastografie-Daten in Muskelgewebe“
Olivia Schwab für ihre Forschung über „Beckenbodentherapie bei Endometriose“
Nitin Arora für die Arbeit über den Einfluss von Trainingsvariablen auf die Interventions-Outcomes von unteren Rückenschmerzen
Es geht natürlich weiter
Nach dem Kongress ist vor dem Kongress und so wurde am Ende der Veranstaltung der Gastgeber des neunten Forschungssymposiums bekanntgegeben. Vom 21. Bis 22. November 2025 wird der Kongress an der Hochschule Bremen unter dem Motto „You are the Key!“ ausgetragen. Interessierte können sich hier zum Newsletter anmelden, über den im kommenden Jahr bekannt gegeben wird, ab wann eine Anmeldung möglich ist.
Probleme erkennen, Wissenschaft verbessern
Professor Christian Kopkow und sein Organisations-Team hatten alle Hände voll zu tun, um das straffe Programm in zwei Tagen unterzubekommen. Dazu änderten sie erstmalig die Grundstruktur, was für weniger Leerlauf und so für noch mehr fachlichen Input sorgte. So blieb am Freitag zwischen der Eröffnung durch Hochschul-Präsidentin Gesinde Grande um 08:45 Uhr und dem Ende der letzten Vorträge in Form eines Science-Slams um 20:00 Uhr kaum Zeit zum Verschnaufen – verpassen wollte schließlich niemand etwas.
Ein Kernthema der diesjährigen Vorträge stellte die Abnahme von Qualität in der Wissenschaft durch den immer stärker werdenden Publikationswahnsinn dar. Hans Lund, Professor an der Süddänischen Universität, beklagte in seiner Keynote die Redundanz medizinischer Forschung. Bereits in den 90er Jahren wiederholten Forscher im medizinischen Bereich immer wieder dieselben Studien mit denselben Ergebnissen, was bereits zu jener Zeit bemängelt wurde. Daraus gelernt wurde offensichtlich nichts, denn mittlerweile tut es die Physiotherapie der Medizin gleich und repliziert immer wieder die gleiche Forschung.
Als Folge entsteht durch dieses Vorgehen nicht nur wissenschaftlicher „Garbage“ (Müll), sondern auch unnötige Mehrausgaben und eine Gefährdung von PatientInnen. Denn überflüssige Studien benötigen immer wieder auch unnötige Kontrollgruppen, mit der Konsequenz, dass PatienInnen bereits nachgewiesen effektive Maßnahmen vorenthalten werden. In das gleiche Horn stieß Cordula Braun von Cochrane Deutschland später bei ihrem Fachvortrag „Sind systematische Reviews noch nützliche Wissenschaft?“, in dem sie die Flut von Übersichtsarbeiten zu ein und demselben Thema bemängelte.
Einen Lösungsvorschlag gegen die Publikationsflut präsentierte am Abend Professorin Anne Gärtner in ihrem Keynote-Vortrag. Die Psychologin wurde dieses Jahr von der Einstein-Stiftung mit dem Early Career Award ausgezeichnet. Sie entwickelte das „Responsible Research Assessment“, dass es Hochschulen ermöglichen soll, ProfessorInnen im Hinblick auf ihr gesamtes Forschungsprofil zu habilitieren. Derzeit zähle nämlich vor allem eines in der Hochschul-Laufbahn: Die Anzahl der Publikationen und das müsse sich schleunigst ändern.
Hohe Qualität
Alle präsentierten Vorträge und Poster durchlaufen vor dem Kongress einen Begutachtungsprozess, erklärte uns der diesjährige verantwortliche Professor Kopkow. Zwei Personen scannen unabhängig die zuvor eingereichten Abstracts und beurteilen was gut ist und was nicht. Das Resultat sind durchweg qualitativ hochwertige Arbeiten aus allen Bereichen der Physiotherapie. „Das ist nicht nur eine Veranstaltung für Menschen aus den Hochschulen und der Wissenschaft, sondern natürlich auch für alle aus der Versorgung, die sagen, ich möchte mich der Wissenschaft nähern.“ Wichtig sei es, Barrieren abzubauen vom Transfer der Wissenschaft in die Praxis, aber natürlich auch andersherum, Einflüsse von der Praxis auf die Wissenschaft zu gewährleisten, betont Kopkow weiterhin, der aktuell die Implementierung des GLAD-Programms in Deutschland begleitet. Dies geschähe vor allem im Austausch auch außerhalb der Fachvorträge, etwa bei Workshops oder auch bei der Abendveranstaltung.
Preise
Der Hochschulkontext stand zwar wie immer im Mittelpunkt des Kongresses, für Praktizierende gab es dennoch eine Menge zu lernen. Das Profil der vorgestellten wissenschaftlichen Arbeiten erstreckte sich über alle Physiotherapiebereiche. Zu erkennen ist dies bereits am Themenspektrum der ausgezeichneten Arbeiten. Die diesjährigen Preise für die besten Vorträge erhielten:
Die diesjährigen Preise für die besten Poster erhielten:
- Andreas Haueise für seine Studie über die „Validierung eines semi-automatisierten Algorithmus zur standardisierten Analyse von Scherwellenelastografie-Daten in Muskelgewebe“
- Olivia Schwab für ihre Forschung über „Beckenbodentherapie bei Endometriose“
- Nitin Arora für die Arbeit über den Einfluss von Trainingsvariablen auf die Interventions-Outcomes von unteren Rückenschmerzen
Es geht natürlich weiterNach dem Kongress ist vor dem Kongress und so wurde am Ende der Veranstaltung der Gastgeber des neunten Forschungssymposiums bekanntgegeben. Vom 21. Bis 22. November 2025 wird der Kongress an der Hochschule Bremen unter dem Motto „You are the Key!“ ausgetragen. Interessierte können sich hier zum Newsletter anmelden, über den im kommenden Jahr bekannt gegeben wird, ab wann eine Anmeldung möglich ist.
Daniel Bombien / physio.de
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