G. Maßnahmen der Ergotherapie

§ 35 Grundlagen

1) Die Maßnahmen der Ergotherapie dienen der Wiederherstellung, Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung oder Kompensation der krankheitsbedingt gestörten motorischen, sensorischen, psychischen und kognitiven Funktionen und Fähigkeiten.

2) Sie bedienen sich komplexer aktivierender und handlungsorientierter Methoden und Verfahren, unter Einsatz von adaptiertem Übungsmaterial, funktionellen, spielerischen, handwerklichen und gestalterischen Techniken sowie lebenspraktischen Übungen.

3) Sie umfassen auch Beratungen zur Schul-, Arbeitsplatz, Wohnraum- und Umfeldanpassung.

4) 1Zu den Maßnahmen der Ergotherapie gehören die in den §§ 36 bis 40 genannten verordnungsfähigen Heilmittel. 2Die in der Anlage 1 zu dieser Richtlinie genannten

  • Maßnahmen, deren therapeutischer Nutzen nach Maßgabe der VerfO nicht nachgewiesen ist und
  • Maßnahmen, die der persönlichen Lebensführung zuzuordnen sind,
sind keine verordnungsfähigen Heilmittel im Sinne dieser Richtlinie. 3Gleiches gilt für den Einsatz von Maßnahmen, deren therapeutischer Nutzen nachgewiesen, jedoch nicht für die in der Anlage 1 genannte Indikation anerkannt ist.

§ 36 Motorisch-funktionelle Behandlung

1) Eine motorisch-funktionelle Behandlung dient der gezielten Therapie krankheitsbedingter Störungen der motorischen Funktionen mit und ohne Beteiligung des peripheren Nervensystems und der daraus resultierenden Fähigkeitsstörungen.

2) Sie umfasst insbesondere Maßnahmen zum/zur

  • Abbau pathologischer Haltungs- und Bewegungsmuster,
  • Aufbau und Erhalt physiologischer Funktionen,
  • Entwicklung oder Verbesserung der Grob- und Feinmotorik,
  • Entwicklung oder Verbesserung der Koordination von Bewegungsabläufen und der funktionellen Ausdauer,
  • Verbesserung von Gelenkfunktionen, einschl. Gelenkschutz,
  • Vermeidung der Entstehung von Kontrakturen,
  • Narbenabhärtung,
  • Desensibilisierung bzw. Sensibilisierung einzelner Sinnesfunktionen,
  • Schmerzlinderung,
  • Erlernen von Ersatzfunktionen,
  • Verbesserung der eigenständigen Lebensführung, auch unter Einbeziehung technischer Hilfen.

3) Die Behandlung kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.

§ 37 Sensomotorisch-perzeptive Behandlung

1) Eine sensomotorisch-perzeptive Behandlung dient der gezielten Therapie krankheitsbedingter Störungen der sensomotorischen und perzeptiven Funktionen mit den daraus resultierenden Fähigkeitsstörungen.

2) Sie umfasst insbesondere Maßnahmen zum/zur

  • Desensibilisierung und Sensibilisierung einzelner Sinnesfunktionen,
  • Koordination, Umsetzung und Integration von Sinneswahrnehmungen,
  • Verbesserung der Körperwahrnehmung,
  • Hemmung und Abbau pathologischer Haltungs- und Bewegungsmuster und Bahnung normaler Bewegungen,
  • Stabilisierung sensomotorischer und perzeptiver Funktionen mit Verbesserung der Gleichgewichtsfunktion,
  • Kompensation eingeschränkter praktischer Möglichkeiten durch Verbesserung der kognitiven Funktionen, Erlernen von Ersatzfunktionen,
  • Entwicklung und Verbesserung im situationsgerechten Verhalten und der zwischenmenschlichen Beziehungen,
  • Erlangen der Grundarbeitsfähigkeiten,
  • Verbesserung der Mund- und Essmotorik,
  • Verbesserung der eigenständigen Lebensführung, auch unter Einbeziehung technischer Hilfen.

3) Die Behandlung kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.

§ 38 Hirnleistungstraining / neuropsychologisch orientierte Behandlung

1) Ein Hirnleistungstraining / eine neuropsychologisch orientierte Behandlung dient der gezielten Therapie krankheitsbedingter Störungen der neuropsychologischen Hirnfunktionen, insbesondere der kognitiven Störungen und der daraus resultierenden Fähigkeitsstörungen.

2) Sie umfasst insbesondere Maßnahmen zum/zur

  • Verbesserung und Erhalt kognitiver Funktionen wie Konzentration, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Orientierung, Gedächtnis sowie Handlungsplanung und Problemlösung,
  • Erlangen der Grundarbeitsfähigkeiten,
  • Verbesserung der eigenständigen Lebensführung, auch unter Einbeziehung technischer Hilfen.

3) 1Die neuropsychologisch orientierte Behandlung wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet. 2Das Hirnleistungstraining kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.

§ 39 Psychisch-funktionelle Behandlung

1) Eine psychisch-funktionelle Behandlung dient der gezielten Therapie krankheitsbedingter Störungen der psychosozialen und sozioemotionalen Funktionen und den daraus resultierenden Fähigkeitsstörungen.

2) Sie umfasst insbesondere Maßnahmen zum/zur

  • Verbesserung und Stabilisierung der psychischen Grundleistungsfunktionen wie Antrieb, Motivation, Belastbarkeit, Ausdauer, Flexibilität und Selbständigkeit in der Tagesstrukturierung,
  • Verbesserung eingeschränkter körperlicher Funktionen wie Grob- und Feinmotorik, Koordination und Körperwahrnehmung,
  • Verbesserung der Körperwahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung,
  • Verbesserung  der Realitätsbezogenheit, der Selbst- und Fremdwahrnehmung,
  • Verbesserung des situationsgerechten Verhaltens, auch der sozioemotionalen Kompetenz und Interaktionsfähigkeit,
  • Verbesserung der kognitiven Funktionen,
  • Verbesserung der psychischen Stabilisierung und des Selbstvertrauens,
  • Verbesserung der eigenständigen Lebensführung und der Grundarbeitsfähigkeiten.

3) Die psychisch-funktionelle Behandlung kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.

§ 40 Therapieergänzende Maßnahmen

1) Thermotherapie (Wärme-/Kältetherapie) nach § 24 ist zusätzlich zu einer motorisch-funktionellen oder sensomotorisch/perzeptive Behandlung als ergänzendes Heilmittel nach Vorgabe des Heilmittelkataloges dann verordnungsfähig, wenn sie einer notwendigen Schmerzreduzierung bzw. Muskeltonusregulation dient.

2) 1Sind zu den Heilmitteln nach den §§ 36 und 37 temporäre ergotherapeutische Schienen zur Durchführung der ergotherapeutischen Behandlung notwendig, können diese gesondert auf dem vereinbarten Vordruck verordnet werden. 2Temporäre ergotherapeutische Schienen ergänzen im Einzelfall die motorisch-funktionelle oder sensomotorisch/perzeptive ergotherapeutische Behandlung, indem sie störungsbezogen für eine sachgerechte Lagerung oder Fixation sorgen (statische Lagerungsschiene) oder der Unterstützung von physiologischen Funktionen (dynamische Funktionsschiene) im Sinne der Wiederherstellung von alltagsrelevanten Aktivitäten (Fähigkeiten) dienen.

§ 41 Ärztliche Diagnostik bei Maßnahmen der Ergotherapie

1) 1Vor der Erstverordnung von Maßnahmen der Ergotherapie ist eine Eingangsdiagnostik notwendig. 2Bei der Eingangsdiagnostik sind störungsbildabhängig diagnostische Maßnahmen durchzuführen, zu veranlassen oder zeitnah erhobene Fremdbefunde heranzuziehen, um einen exakten Befund zu Schädigungen / Funktionsstörungen sowie Fähigkeitsstörungen zu erhalten.

2) 1Auch vor Folgeverordnungen bzw. bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls ist die erneute störungsbildabhängige Erhebung des aktuellen Befundes erforderlich. 2Dies betrifft insbesondere psychische bzw. psychiatrische Krankheitsbilder mit entsprechenden Schädigungen und Fähigkeitsstörungen. 3Dabei können auch Fremdbefunde berücksichtigt werden. 4Therapierelevante Befundergebnisse sind auf dem Verordnungsvordruck anzugeben.

3) 1Bei Nichterreichen des individuell angestrebten Therapiezieles ist eine weiterführende Diagnostik erforderlich, die maßgebend ist für die ggf. notwendige Einleitung anderer ärztlicher oder rehabilitativer Maßnahmen bzw. für die mögliche Beendigung oder Fortsetzung einer Ergotherapie. 2Der Vertragsarzt entscheidet störungsbildabhängig, welche Maßnahmen der weiterführenden Diagnostik er durchführt bzw. veranlasst.

 

Stand: 21.9.2017