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Ist eine Erlaubnis zwingend notwendig?
Die Richter, gut vorbereitet und in der Sache durchaus bewandert, stellten unmissverständlich klar, ohne Erlaubnis geht es nicht. Das Berufsbild des Physiotherapeuten sei zweifelsfrei auf Krankenbehandlungen nach ärztlicher Verordnung ausgerichtet. Selbstständig ausgeübte Heilbehandlungen bedürfen grundsätzlich der Erlaubnis. Eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz ist dann notwendig, wenn Krankheiten behandelt werden, also Heilbehandlungen durchgeführt werden. Der VGH Mannheim hatte im Frühsommer noch anders entschieden, diese Auffassung ist nun hinfällig.
Heilpraktikererlaubnis teilbar?
Die zweite Frage, die das Gericht klären wollte: Ist die Heilpraktikererlaubnis überhaupt teilbar? In allen Verfahren haben die Vertreter der Gesundheitsämter unisono erklärt, eine Teilung sei inhaltlich und organisatorisch nicht möglich und würde außerdem einen enormen Verwaltungsaufwand bedeuten. Der Vertreter der Bundesinteressen argumentierte, sollte das Gericht zu der Auffassung gelangen, dass für Physiotherapeuten eine Teilerlaubnis möglich ist, würden über kurz oder lang auch andere Berufsgruppen eine solche Teilerlaubnis beantragen. Es müsste dann für jede Berufsgruppe eine an das jeweilige Berufsgesetz angepasste Teilprüfung erarbeitet werden, was die Ämter schlicht überfordern würde. Die Richter hatten wenig Erbarmen mit der Belastung der Beamten und stellten fest, dass eine "Teilerlaubnis" sehr wohl möglich sei. Das Berufsbild sei abschließend und ausreichend ausdifferenziert und somit auch abgrenzbar.
Überprüfung notwendig?
Nachdem geklärt war, dass eine Erlaubnis notwendig ist, und diese Erlaubnis sich auf das Gebiet der Physiotherapie beschränken kann, wurde die spannendste Frage erörtert: Muss der Physiotherapeut, um diese eingeschränkte Erlaubnis zu erhalten, sich einer Kenntnisüberprüfung stellen?
Bezugspunkt war hierbei das Masseur- und Physiotherapeutengesetz (MPhG). Dort sind die Ausbildungsinhalte geregelt. Wer eine Ausbildung zum staatlichen Physiotherapeuten erfolgreich besteht, hat nachgewiesen, dass er die Kenntnisse besitzt, die in diesem Gesetz aufgeführt sind. Zwei Knackpunkte wurden in aller Ausführlichkeit kontrovers besprochen:
1. Was ist das Ausbildungsziel?
2. Was ist der Wille des Gesetzgebers?
Das Ausbildungsziel ist in § 8 des MPhG definiert. Dort steht:
Das entscheidende Wort steht in der Mitte: "Hilfen". Dementsprechend ist der Beruf des Physiotherapeuten in der Rechtsprechung als "Heilhilfsberuf" definiert. Auch wenn neuerdings häufig der Begriff "Gesundheitsfachberuf" verwendet wird, so hat das Bundesverfassungsgericht doch den Begriff auch für Physiotherapeuten so definiert: Der Heilhilfsberuf hat "im Schwerpunkt eine Ersetzung, Ergänzung oder Unterstützung der ärztlichen Tätigkeit zum Gegenstand".
Damit sei der Wille des Gesetzgebers klar: Der Physiotherapeut soll nicht eigenständig sondern nach Verordnung des Arztes tätig werden. Dies hat der Gesetzgeber auch in den Motiven bei der Abfassung des MPhGesetzes (1994) so beschrieben.
Einen weiteren Hinweis für den Willen des Gesetzgebers sei aus dem neuen § 63 des SGB V abzuleiten. Dort wird Physiotherapeuten die Möglichkeit eingeräumt, in sogenannten "Modellversuchen" Teile der therapeutischen Behandlung (Auswahl, Dauer, Frequenz) selber zu bestimmen. Zur Klärung der Eigenverantwortlichkeit steht dort aber explizit, dass dies nur gilt, wenn "es sich bei der Tätigkeit nicht um selbständige Ausübung von Heilkunde handelt." Der Gesetzgeber habe damit klargestellt, dass Physiotherapeuten keine eigenverantwortliche Krankenbehandlungen durchführen sollen.
Die Richter sind der Auffassung, dass nach den Vorgaben des Ausbildungsgesetzes keine diagnostischen Fähigkeiten vermittelt werden. Die Abgrenzung der physiotherapeutischen Tätigkeit zu anderen Heiltätigkeiten sei ebenfalls nicht Gegenstand der Ausbildung. Auch in der Berufs- und Gesetzeskunde seien diese Aspekte nicht enthalten. Somit müssten diese Bereiche für den Erwerb der Teilzulassung überprüft werden.
Am Rande wurde noch kurz das Europarecht behandelt. Diese Problematik war aber recht schnell geklärt. Da die Sozialgesetzgebung den Mitgliedsstaaten überlassen ist, ist europäisches Recht nicht anzuwenden.
Rechtssicherheit
Mit diesem Urteil kehrt nun Rechtssicherheit ein. Die Frage nach Therapien ohne ärztliche Verordnung ist höchstrichterlich entschieden. Wer ohne ärztliche Verordnung auf dem Gebiet der Physiotherapie tätig werden will, muss eine Kenntnisüberprüfung beim zuständigen Gesundheitsamt beantragen. Diese Überprüfung erstreckt sich nicht auf die Ausbildungsinhalte der Physiotherapie, denn diese sind bereits hinreichend durch das bestandene Examen belegt. Vielmehr wird überprüft, ob der Physiotherapeut in der Lage ist, die Grenzen seiner Tätigkeit zu erkennen.
Ungeklärt sind Detailfragen, die wohl erst der schriftlichen Begründung zu entnehmen sein werden. Dazu gehört, ob die Weiterbehandlung eines Patienten ohne Verordnung rechtens ist oder nicht. Der Tenor der Entscheidung legt aber nah, dass auch für die Weiterbehandlung ohne Rezept eine Erlaubnis notwendig sein wird. Auch unerwähnt blieb, ob die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" geführt werden muss/darf oder nicht.
Fazit
Mit diesem Urteil ist der Beruf des Physiotherapeuten innerhalb des deutschen Gesundheitswesens als nichtärztlicher Beruf manifestiert, der nach der gesetzlichen Ausbildung nur auf Anordnung des Arztes tätig werden darf. Um eigenverantwortlich zu behandeln, muss eine weitere Überprüfung absolviert werden. Weder eine Akademisierung noch Fortbildungen von anderen Anbietern führen dazu, dass der Physiotherapeut befähigt wäre, ohne ärztliche Verordnung zu therapieren.
Ist die Entscheidung des BVerwG endgültig?
Das Bundesverwaltungsgericht ist die oberste Instanz in dieser Gerichtsbarkeit, diesem Urteil kommt also grundsätzliche Bedeutung zu. Es ist der Maßstab, an dem sich alle Beteiligten zu orientieren haben. Eine Revisionsmöglichkeit gibt es nicht.
Rentenversicherung
Die Rentenversicherungspflicht für Physiotherapeuten wird durch dieses Urteil nicht verändert. Wer überwiegend auf ärztlicher Verordnung tätig ist, ist weiterhin rentenversicherungspflichtig.
Andere Berufsgruppen
Es ist sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Berufsgruppen eine auf ihr Berufsbild eingeschränkte Heilpraktikerlaubnis beantragen werden. Das werden Ergotherapeuten, Logopäden, Podologen, Krankenpfleger und auch Hebammen sein. Insgesamt gibt es um die 50 Gesundheitsfachberufe, die sich allesamt überlegen werden, ob für sie diese Möglichkeit interessant ist.
Koblenz und Mannheim
Sowohl das rheinland-pfälzische als auch das baden-württembergische Oberverwaltungsgericht haben weitreichende Urteile gesprochen. Das Gericht in Koblenz hat entschieden, dass ein Antrag beim Gesundheitsamt ausreicht, um die eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis zu erhalten und eigenverantwortlich tätig zu werden. Eine Prüfung ist nicht vonnöten. In Rheinland-Pfalz haben bereits etliche Therapeuten die eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis erhalten. Diese bleiben auch weiterhin gültig. Neuanträge werden nun, wie überall in Deutschland, auf der Grundlage des Leipziger Urteils bearbeitet.
Noch weiter gingen die Mannheimer Richter. Die Ausbildung der Physiotherapeuten reiche aus, wurde entschieden. Einer Erlaubnis mit oder ohne Prüfung bedarf es nicht. Die Kläger (und Gewinner) der Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Mannheim spielen seit dem vergangenen Mittwoch eine Exotenrolle unter den Therapeuten. Sie sind und bleiben die Einzigen, die ohne irgendeine zusätzliche Erlaubnis selbstständig ohne ärztliche Verordnung auf ihrem Fachgebiet heilkundlich tätig werden dürfen.
Antrag
Stellen Sie zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Antrag auf Erteilung einer beschränkten Heilpraktikererlaubnis. Die Gesundheitsämter werden Anträge in aller Regel zurückweisen und auf fehlende Verwaltungsvorschriften und ähnliches verweisen. Manche werden das Urteil schlicht nicht kennen. In etwa vier Wochen ist die schriftliche Urteilsbegründung zu erwarten und erst dann werden die Antworten auf letzte offene Fragen feststehen. Wenn der Zeitpunkt der Antragstellung gekommen ist, werden wir Sie mit allen nötigen Informationen und Unterlagen versorgen.
Das Urteil selbst finden Sie in unserer Infothek in der Rubrik Urteile unter dem Schlagwort Heilpraktiker konkret hier.
Frieder Bothner / physio.de
Sektoraler HeilpraktikerPhysiotherapieUrteil
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