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Begriffserklärung
NICE-Guidelines
Evidenzbasierte Praxis auf der Insel
09.07.2021 • 0 Kommentare
Lizenz: CC-BY •
Bei den Bestrebungen eine evidenzbasierte Medizin zu etablieren, kommt man am Thema NICE-Guidelines nicht vorbei. Ein kurzer Überblick soll erläutern, warum die britischen NICE-Guidelines auch interessant für deutsche Heilmittelerbringer sind.

Ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem
Anders als im Sozialversicherungssystem Deutschlands, finanziert sich der britische „National Health Service“ (NHS) aus dem Haushaltsetat der Regierung und damit direkt aus Steuergeldern. Etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes fließen in das britische Gesundheitssystem. Basierend auf der Grundidee des Wohlfahrtstaates sind in Großbritannien alle medizinischen Leistungen für alle Einwohner kostenlos.

Ausgenommen davon sind viele Medikamente, Behandlungen beim Optiker und zahnmedizinische Behandlungen. Ein Großteil der im britischen Gesundheitssystem arbeitenden Personen ist direkt beim NHS angestellt. Damit ist der NHS der fünftgrößte Arbeitgeber der Welt.

Der NHS unterliegt direkt dem Gesundheitsministerium. Da dieses bestrebt ist, seinen Etat sinnvoll und kosteneffektiv einzusetzen, wurde im Jahr 1999 das National Institute for Clinical Excellence gegründet und am ersten April 2005 mit der Development Agency zusammengelegt. Es entstand das National Institute for Health and Clinical Excellence. Oder kurz: NICE

Niedrige Kosten durch evidenzbasierte Leitlinien
Aufgabe des NICE ist in erster Linie die Ausarbeitung von Leitlinien für das Medizin- und Sozialwesen durch Experten unterschiedlicher Fachrichtungen. Hier besteht wahrscheinlich der größte Unterschied zur Ausarbeitung der deutschen AWMF-Leitlinien. Während in Deutschland Fach- und Interessensgruppen ehrenamtlich und spendenfinanziert Leitlinien ausarbeiten, werden in Großbritannien Experten für diese Tätigkeit vom Staat bezahlt.

Vier Zentren des NICE sind für die Ausarbeitung der Leitlinien zuständig:
  • • Das „National Collaboration Center for Cancer“,
    • das „National Clinical Guideline Center“
    • das „National Collaboration Center for Women and Children‘s Health“ sowie
    • das „National Collaboration Center for Mental Health“

Auswirkungen auf die Praxis
Zunächst einmal sind die NICE-Guidelines, wie auch die Leitlinien in Deutschland, für ÄrztInnen und HeilmittelerbringerInnen in Großbritannien nicht bindend. Allerdings wird von ihnen erwartet, die NICE-Guidelines in ihren Fachgebieten zu kennen und ihre Entscheidungsfindung basierend auf diesen Leitlinien zu fällen. In Großbritannien existieren bereits Gerichtsurteile zu Ungunsten von ÄrztInnen, die bewusst nicht leitliniengetreu behandelten. Da die NICE zudem bestimmt, welche Medikamente und Therapien vom NHS bezahlt werden, haben die Guidelines einen großen Einfluss auf die Therapieauswahl in Großbritannien.

Und was hat das mit Deutschland zu tun?
Die NICE-Guidelines genießen aufgrund ihres Qualitätsstandards ein hohes Ansehen auch außerhalb von Großbritannien. Häufig bedienen sich auch deutsche Leitlinien an Aussagen aus den NICE-Guidelines, so wie kürzlich geschehen in der S3-Leitlinie EKIT-Hüfte. Wer also eine Übersicht über das bestmögliche evidenzbasierte Vorgehen bei bestimmten Erkrankungen sucht und Grundkenntnisse der englischen Sprache besitzt, wird über die zahlreichen Informationen auf www.nice.org.uk/guidance sehr erfreut sein.

Schlussbemerkung der Redaktion
Dass es beim britischen NHS auch gravierende Mängel gibt, ist uns durchaus bewusst. Allerdings dürften diese nicht zuvorderst an den Guidelines liegen. Auf die Miserenursachen im NHS einzugehen, hätte ferner den zumutbaren Umfang dieses Artikels deutlich überschritten.

Daniel Bombien / physio.de

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