E. Maßnahmen der Physiotherapie

§ 18 Grundlagen

1) Physiotherapie im Sinne dieser Richtlinie umfasst die physiotherapeutischen Verfahren der Bewegungstherapie sowie die physikalische Therapie. Physiotherapie nutzt sowohl die aktive selbständig ausgeführte, die assistive, therapeutisch unterstützte, als auch die passive, beispielsweise durch die Therapeutin oder den Therapeuten geführte, Bewegung des Menschen, bei Bedarf ergänzt durch den Einsatz physikalischer Therapien wie Thermo- oder Elektrotherapie. Therapieziel ist das Erreichen der größtmöglichen Funktionsfähigkeit (im Sinne der ICF).

2) Für bestimmte Maßnahmen der Physiotherapie bedarf es spezieller Qualifikationen, die über die im Rahmen der Berufsausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten hinausgehen. Solche Maßnahmen, für deren Durchführung eine zusätzliche, abgeschlossene Weiterbildung erforderlich ist, sind im Folgenden mit *) gekennzeichnet.

3) Zu den Maßnahmen der Physiotherapie gehören die in den §§ 19 bis 22 genannten verordnungsfähigen Heilmittel.

§ 19 Bewegungstherapie

1) Die Bewegungstherapie umfasst die nachstehend beschriebenen Maßnahmen:

1. Krankengymnastik
Krankengymnastische Behandlungstechniken dienen z. B. der Behandlung von Fehlentwicklungen, Erkrankungen, Verletzungen, Verletzungsfolgen und Funktionsstörungen des Kiefergelenkes mit mobilisierenden und stabilisierenden Übungen und Techniken sowie der Kontrakturvermeidung und -lösung, der Tonusregulierung, der Funktionsverbesserung bei krankhaften Muskelinsuffizienzen und -dysbalancen.

2. Krankengymnastik zentrales Nervensystem bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (KG-ZNS-Kinder *))
Zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, zur Erleichterung des Bewegungsablaufs durch Ausnutzung komplexer Bewegungsmuster, Bahnung von Innervation und Bewegungsabläufen und Förderung oder Hemmung von Reflexen unter Einsatz der Techniken nach Bobath oder Vojta.

3. Krankengymnastik zentrales Nervensystem nach Vollendung des 18. Lebensjahres (KG-ZNS *))
Zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen nach Vollendung des 18. Lebensjahres, zur Förderung und Erleichterung des Bewegungsablaufs durch Einsatz komplexer Bewegungsmuster, Bahnung von Innervation und Bewegungsabläufen und Förderung oder Hemmung von Reflexen unter Einsatz der Techniken nach Bobath, Vojta oder PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation).

4. Manuelle Therapie *)
Zur Behandlung reversibler Funktionseinschränkungen der Gelenke und ihrer muskulären, reflektorischen Fixierung durch gezielte (impulslose) Mobilisation oder durch Anwendung von Weichteiltechniken.

5. Übungsbehandlung
Bei der Übungsbehandlung werden aktive, aktiv-passive und passiv geführte Übungen eingesetzt. Sie verfolgt als gezielte und kontrollierte Maßnahme das Ziel, Schädigungen der Muskelfunktion (Muskelkraft, -ausdauer, -koordination und -tonus) sowie Schädigungen der Gelenkfunktionen (z. B. der Gelenkbeweglichkeit und -stabilität) zu beseitigen oder zu mindern.

§ 20 Manuelle Lymphdrainage

Manuelle Lymphdrainage*) (MLD) des Kopfes und des Halses ist verordnungsfähig zur entstauenden Behandlung bei Ödemen im Bereich des craniomandibulären Systems einschließlich der ableitenden Lymphbahnen im Halsbereich bei sekundärer (erworbener) Schädigung des Lymphsystems nach umfangreichen chirurgischen Eingriffen wie tumorchirurgischen Eingriffen sowie deren Nachbehandlung und bei der Behandlung von Traumata sowie deren Nachbehandlung. 2 Entsprechend dem indikationsbezogen unterschiedlichen Zeitbedarf sind verordnungsfähig:

  • a) MLD-30 Minuten Therapiezeit an der Patientin oder dem Patienten (Teilbehandlung) bei leichtgradigen Lymphödemen, Ödemen oder Schwellungen zur Behandlung des Kopfes und des Halses oder
  • b) MLD-45 Minuten Therapiezeit an der Patientin oder dem Patienten (Großbehandlung) bei Lymphödemen zur Behandlung des Kopfes und des Halses

§ 21 Thermotherapie (Wärme- oder Kältetherapie)

1) Sowohl Wärme- als auch Kälteanwendungen wirken je nach Indikation schmerzlindernd, beeinflussen den Muskeltonus. Kälteanwendung wirkt zusätzlich entzündungshemmend.

2) Die Thermotherapie umfasst die nachstehend beschriebenen Maßnahmen:

  1. Kältetherapie mittels Kaltpackungen, Kaltgas, Kaltluft,
  2. Wärmetherapie mittels Heißluft, als strahlende oder geleitete Wärme zur Muskeldetonisierung und Schmerzlinderung,
  3. Wärmetherapie mittels heißer Rolle, zur lokalen Hyperämisierung mit spasmolytischer, sedierender, schmerzlindernder Wirkung,
  4. Wärmetherapie mittels Ultraschall, zur Besserung der Durchblutung und des Stoffwechsels und zur Erwärmung tiefergelegener Gewebsschichten,
  5. Wärmetherapie mittels Warmpackungen mit Peloiden (z. B. Fango), Paraffin oder Paraffin-Peloidgemischen zur Applikation intensiver Wärme.

3) Die Wärme- oder Kälteapplikation kann nur als therapeutisch erforderliche Ergänzung in Kombination mit Krankengymnastik, KG-ZNS, KG-ZNS-Kinder, Manueller Therapie oder Manueller Lymphdrainage verordnet werden.

§ 22 Maßnahmen der Elektrotherapie

1) Die Maßnahmen der Elektrotherapie wenden galvanische, nieder- und mittelfrequente Stromformen an zur Schmerzlinderung, Durchblutungsförderung, Tonisierung und Detonisierung der Muskulatur. Besondere Stromformen haben entzündungshemmende und resorptionsfördernde Wirkung und vermögen darüber hinaus Muskeln zu kräftigen und gezielt zur Kontraktion zu bringen.

2) Die Maßnahmen der Elektrotherapie umfassen:

  1. Elektrotherapie unter Verwendung konstanter galvanischer Ströme oder unter Verwendung von Stromimpulsen (z. B. diadynamische Ströme, mittelfrequente Wechselströme, Interferenzströme),
  2. Elektrostimulation unter Verwendung von Reizströmen mit definierten EinzelImpulsen nach Bestimmung von Reizparametern (nur zur Behandlung von Lähmungen bei prognostisch reversibler Nervenschädigung).

3) Die Maßnahmen der Elektrotherapie können als ergänzendes Heilmittel zu den vorrangigen Heilmitteln Krankengymnastik, KG-ZNS, KG-ZNS-Kinder, Manuelle Therapie oder Manueller Lymphdrainage verordnet werden. Die Maßnahmen der Elektrotherapie können ohne Verordnung eines vorrangigen Heilmittels verordnet werden, soweit der Heilmittelkatalog ZÄ die Verordnung als ergänzendes Heilmittel vorsieht.

Tritt am 1. Januar 2021 in Kraft