Rahmenempfehlungen zur ambulanten neurologischen Rehabilitation
vom 08. September 2005

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I Allgemeiner Teil 

Präambel

1. Vorbemerkung 

2. Grundsätze

2.1 Begriffsbestimmung 

2.2 Komponenten der ICF

2.3 Rehabilitationsansatz 

2.3 Abgrenzung zur kurativen Versorgung 

2.4 Grundlage

3. Indikationsstellung / Medizinische Voraussetzungen

3.1 Rehabilitationsbedürftigkeit 

3.2 Rehabilitationsfähigkeit

3.3 Rehabilitationsprognose

4. Individuelle Voraussetzungen

5. Rehabilitationsziele

5.1 Allgemeines Rehabilitationsziele

5.2 Trägerspezifisches Rehabilitationsziel

6. Zweckbestimmung der ambulanten Rehabilitation 

7. Angebotsstruktur der ambulanten Rehabilitation 

8. Ausschlusskriterien

9. Anforderungen an die ambulante Rehabilitationseinrichtung

9.1 Ganzheitlicher Ansatz

9.2 Rehabilitationskonzept.

9.3 Diagnostik

9.4 Rehabilitationsplan.

9.5 Ärztliche Leitung und Verantwortung 

9.6 Rehabilitationsteam und Qualifikation

9.6.1 Arzt/Ärztin

9.6.2 Physiotherapeut/Krankengymnast

9.6.3 Masseur und Medizinischer Bademeister 

9.6.4 Ergotherapeut

9.6.5 Logopäde/Sprachtherapeut

9.6.6 Klinischer Psychologe

9.6.7 Sozialarbeiter/Sozialpädagoge 

9.6.8 Diätassistent

9.6.9 Gesundheits- und Krankenpfleger 

9.6.10 Sportlehrer/Sporttherapeut 

10. Räumliche Ausstattung 

11. Apparative Ausstattung

12. Behandlungselemente 

13. Leistungsbewilligung 

14. Verlängerungskriterien 

15. Teilhabe am Arbeitsleben

16. Entlassungsbericht 

17. Kooperation

18. Dokumentation

19. Qualitätssicherung 

19.1 Strukturqualität

19.2 Prozessqualität

19.3 Ergebnisqualität

20. Beendigung der Maßnahme 

II Besonderer Teil

Konzeption zur ambulanten kardiologischen Rehabilitation

1. Allgemeines

2. Indikationsstellung / Medizinische Voraussetzungen 

2.1 Vorbedingung / Diagnosen

2.2 Anforderungen an die medizinische Diagnostik vor Einleitung der Rehabilitation

2.3 Körperfunktionen und Körperstrukturen

2.4 Aktivitäten

2.5 Teilhabe

2.6 Kontextfaktoren 

2.7 Individuelle Voraussetzungen

3. Rehabilitationsziele

3.1 Rehabilitationsziele bezogen auf Körperfunktionen und Körperstrukturen

3.2 Rehabilitationsziele bezogen auf Aktivitäten 

3.3 Rehabilitationsziele bezogen auf Teilhabe 

3.4 Rehabilitationsziele bezogen auf Kontextfaktoren 

4. Behandlungsfrequenz und Rehabilitationsdauer

5. Ausschlusskriterien 

6. Anforderungen an die ambulante Rehabilitationseinrichtung 

6.1 Rehabilitationskonzept 

6.2 Ärztliche Leitung und Verantwortung

6.3 Ärztliche Aufgaben 

6.4 Rehabilitationsdiagnostik

6.5 Rehabilitationsplan 

6.6 Behandlungselemente

6.7 Aufgaben des Rehabilitationsteams

7. Personelle Ausstattung 

7.1 Rehabilitationsteam und Qualifikation 

7.2 Personalbemessung

8. Räumliche Ausstattung 

9. Apparative Ausstattung 

10. Verlängerungskriterien

11. Beendigung der Maßnahme


Vorwort

Die Rahmenempfehlungen zur ambulanten Rehabilitation bei muskuloskeletalen Erkrankungen und zur ambulanten neurologischen sowie ambulanten kardiologischen Rehabilitation sind schon seit dem Jahr 2000 in Kraft. Als begriffliches Bezugssystem hierfür diente damals die ICIDH (Internationale Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen), die Vorgängerin der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit). Das bio-psycho-soziale Modell, auf dem die ICF basiert, wurde gegenüber dem Krankheitsfolgemodell der ICIDH erheblich erweitert und damit der Lebenswirklichkeit betroffener Menschen besser angepasst. Insbesondere wird nun der gesamte Lebenshintergrund der Betroffenen berücksichtigt (Kontextfaktoren: Umweltfaktoren, personbezogene Faktoren). Die ICF ermöglicht, die biologischen, psychosozialen und individuellen Aspekte eines Gesundheitsproblems miteinander zu verknüpfen (Modell der Wechselwirkung). 

Die drei neueren Rahmenempfehlungen für die Indikationen Dermatologie, Psychosomatik und Onkologie wurden bereits auf der Basis der ICF erstellt und zum 01. April 2004 zusammen mit dem an die ICF angepassten allgemeinen Teil der Rahmenempfehlungen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation in Kraft gesetzt. Deshalb ergab sich die Notwendigkeit einer ICF-Anpassung der drei Rahmenempfehlungen aus dem Jahr 2000. Die Überarbeitung erfolgte auf BAR-Ebene unter Einbindung der Arbeitsgruppe „Umsetzung der ICF“ und der Beratung im Sachverständigenrat der Ärzte. Somit liegen nun sämtliche Rahmenempfehlungen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation im Allgemeinen Teil und in den jeweiligen (indikationsspezifischen) Besonderen Teilen in einer ICF angepassten Form vor. 

Vorstand und Geschäftsführung danken allen Beteiligten, die an der Anpassung mitgewirkt haben, so dass die Rahmenempfehlungen zur ambulanten Rehabilitation bei muskuloskeletalen Erkrankungen und zur ambulanten neurologischen sowie zur ambulanten kardiologischen Rehabilitation am 01. Dezember 2005 in Kraft treten konnten.

Geschäftsführer

B. Steinke - H. Kirsten

 

I Allgemeiner Teil

Präambel

Der Wandel im Krankheitsspektrum, gekennzeichnet durch die Zunahme chronischer Krankheiten, die demographische Entwicklung mit einer steigenden Zahl älterer Menschen sowie auch die Tendenz zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch den Gesetzgeber führen zu einem zunehmenden Bedarf an Rehabilitation, die den individuellen Lebensbedingungen und -gewohnheiten Rechnung trägt.

Es ist daher geboten, neben stationären medizinischen Rehabilitationseinrichtungen ambulante Strukturen zu schaffen, die interdisziplinäre therapeutische Angebote wohnortnah vorhalten und damit die Möglichkeit bieten, die Behandlung den Erfordernissen des Einzelfalles flexibel anzupassen.

Die ambulante Rehabilitation bietet außerdem die Möglichkeit, Personengruppen in die Rehabilitation einzubeziehen, die aus verschiedenen persönlichen Gründen bei entsprechender medizinischer Indikation eine stationäre Rehabilitation nicht in Anspruch nehmen können.

Ebenso wie die stationäre Rehabilitation geht auch die ambulante medizinische Rehabilitation*) von einem ganzheitlichen Ansatz aus, der die physischen, psychischen und sozialen Aspekte der Rehabilitation umfasst. Gleichermaßen gelten die Grundsätze der Komplexität, der Interdisziplinarität und der Individualität.

_________________________
*) Der Begriff ambulante medizinische Rehabilitation umfasst auch teilstationäre Rehabilitation.

Als Grundlage für den Ausbau einer gemeinsam zu nutzenden bedarfsgerechten ambulanten Rehabilitationsstruktur und zur Gewährleistung einer an einheitlichen Grundsätzen ausgerichteten und zielorientierten Leistungsgewährung geben daher

der AOK-Bundesverband, Bonn

der Bundesverband der Betriebskrankenkassen, Essen

der IKK-Bundesverband, Bergisch-Gladbach

die See-Krankenkasse, Hamburg

der Bundesverband der landwirtschaftlichen Krankenkassen, Kassel

die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Bochum

der Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V., Siegburg

der AEV-Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V., Siegburg 

die Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin 

der Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen, Kassel 

der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Sankt Augustin 

der Bundesverband der Unfallkassen, München 

der Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, Kassel

und die Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin

nach Beratungen auf der Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation unter Mitwirkung des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen die folgenden Empfehlungen*).

_________________________
*) Besondere Regelungen der Unfallversicherung bleiben unberührt.

1. Vorbemerkung

Die Rahmenempfehlungen gliedern sich in den Allgemeinen Teil mit den Grundsätzen, Voraussetzungen und Zielen der ambulanten medizinischen Rehabilitation und den Besonderen Teil mit den bereits vorliegenden indikationsspezifischen Konzeptionen zur ambulanten kardiologischen und neurologischen Rehabilitation, zur ambulanten Rehabilitation bei muskuloskeletalen Erkrankungen, zur ambulanten dermatologischen und onkologischen Rehabilitation und zur ambulanten Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen.

 

2. Grundsätze

2.1 Begriffsbestimmung

Entsprechend der ICF 3 sind im deutschen Sprachgebrauch unter dem Oberbegriff der Funktionsfähigkeit für die einzelnen Komponenten von Gesundheit die Begriffe Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivitäten, Teilhabe und Kontextfaktoren eingeführt und definiert worden. Auf allen Ebenen finden die unterschiedlichen Wechselwirkungen zwischen Kontextfaktoren und Gesundheitsproblemen, die auch die psycho-sozialen Komponenten umfassen, besondere Beachtung (s. Abbildung). Im Sinne der ICF ist Behinderung vor allem eine Beeinträchtigung der Teilhabe, nicht mehr nur ein personbezogenes Merkmal, sondern entsteht aus dem ungünstigen Zusammenwirken von gesundheitlichen Problemen einer Person und ihrer Umwelt. Diese Sichtweise wurde im Grundsatz auch in das SGB IX übernommen 4 .

Abbildung: Das bio-psycho-soziale Modell der Komponenten der Gesundheit.

______________________
3) Vgl. Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Deutsches
Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), 2002. www.dimdi.de 

4) Der Behinderungsbegriff der ICF, der Behinderung als „Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit“
umschreibt, ist weiter gefasst als der des SGB IX und umfasst auch jede Schädigung, die weder
mit Beeinträchtigungen der Aktivitäten noch der Teilhabe einhergeht. Im Zusammenhang mit Leistungen
zur Teilhabe wird daher Behinderung im Sinne der Definition des § 2 SGB IX verstanden.

Funktionale Gesundheit

Der Begriff der Gesundheit im Titel der ICF zeigt an, dass die ICF zu den gesundheitsbezogenen Klassifikationen gehört, wie auch die ICD 5) . Zum besseren Verständnis des bio-psycho-sozialen Modells, welches bereits der ICIDH zugrunde lag, wurde im Zusammenhang mit der Einführung der ICF der Begriff der funktionalen Gesundheit etabliert. 

Die funktionale Gesundheit bezieht sich hierbei sowohl auf die Funktionsfähigkeit als auch auf deren Beeinträchtigungen auf den in der ICF beschriebenen Ebenen

– der Körperfunktionen und Körperstrukturen
– der Aktivitäten und Teilhabe an Lebensbereichen

und geht insofern über den bio-medizinischen Ansatz der ICD hinaus. 

Die funktionale Gesundheit einer Person wird dabei vor dem gesamten individuellen Lebenshintergrund (umwelt- und personbezogene Kontextfaktoren) betrachtet und beschreibt das Ergebnis der Interaktion zwischen dem Gesundheitsproblem und den Kontextfaktoren einer Person. 

Der Begriff der Funktionsfähigkeit wird für Körperstrukturen und Körperfunktionen, Aktivitäten und Teilhabe einer Person an Lebensbereichen verwendet und umfasst die positiven (oder neutralen) Aspekte der funktionalen Gesundheit. 

Der Begriff der Behinderung wird ebenfalls für Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivitäten und Teilhabe einer Person an Lebensbereichen verwendet, umfasst aber im Gegensatz dazu jede Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit, also die negativen Aspekte der funktionalen Gesundheit. 

Danach kann die funktionale Gesundheit einer Person beeinträchtigt sein, wenn

– Schädigungen im Bereich der körperlichen Funktionen (einschließlich des mentalen Bereichs) und/oder der Körperstrukturen vorliegen (Beeinträchtigung der Körperfunktionen und Körperstrukturen)
– sie nicht mehr all das tut oder tun kann, was von einem Menschen ohne Gesundheitsproblem (im Sinne der ICD) erwartet wird (Beeinträchtigung der Aktivitäten)
– sie ihr Dasein in Lebensbereichen, die ihr wichtig sind, nicht mehr in der Weise und dem Umfang entfalten kann, wie es von einem Menschen ohne Beeinträchtigungen der Körperfunktionen oder Körperstrukturen oder der Aktivitäten erwartet werden kann (Beeinträchtigung der Teilhabe an Lebensbereichen).

______________________
5) Vgl. Internationale Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. 10. Revision, Version 2.0 Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), 2000.

2.2 Komponenten der ICF

Körperfunktionen und Körperstrukturen 

Während mit Körperfunktionen die physiologischen und psychologischen Funktionen von Körpersystemen wie z.B. das Sehvermögen oder der Verstand bezeichnet werden, versteht man unter Körperstrukturen die anatomischen Teile des Körpers wie Organe, Gliedmaßen und ihre Bestandteile. Mit dem Begriff der „funktionalen/strukturellen Integrität“ auf der Ebene der Körperfunktionen und Körperstrukturen kann die Funktionsfähigkeit einer (gesunden) Person beschrieben werden. „Schädigung“ bezeichnet dabei bei einer Person den Verlust oder eine wesentliche Abweichung auf dieser Ebene.

Hierzu zählen insbesondere Schädigungen

– der inneren Organe oder des Stoffwechsels
– der Sensorik, z.B. Schmerzen
– des Denkens, des Gedächtnisses, des Antriebs und der Stimmungslage; hierzu zählt auch die Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten oder Drogen
– des Stütz- und Bewegungsapparates, u.a. mit Störungen der aktiven und passiven Bewegungsfähigkeit und Haltung; hierzu zählen auch Extremitätendefekte wie Amputationen
– der Sprach-, Hör- oder Sehfunktion
– der Haut, z. B. durch Brandverletzungen.

Aktivitäten

Aktivität ist die Durchführung einer Aufgabe oder einer Handlung (Aktion) durch eine Person. Eine Person ist (auf dieser Ebene) dann funktionsfähig, wenn sie alle Aktivitäten, die von einem Menschen ohne Gesundheitsproblem erwartet werden, ausführen kann. Schwierigkeiten, die eine Person bei der Durchführung einer Aktivität haben kann, werden als Beeinträchtigungen der Aktivität bezeichnet.

Beeinträchtigungen der Aktivität zeigen sich z.B.

– in der Fortbewegung, der allgemeinen körperlichen Beweglichkeit und Geschicklichkeit
– im Verhalten
– in der Kommunikation
– in der Haushaltsführung
– im Umgang mit Stress
– in der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben.

Teilhabe

Mit Teilhabe wird die Entfaltung einer Person im Sinne des Einbezogenseins in allen ihr wichtigen Lebensbereichen bezeichnet. Eine Beeinträchtigung der Teilhabe liegt vor, wenn eine Person nicht in der Weise und in dem Umfang wie eine Person ohne gesundheitsbedingte Schädigungen oder der Beeinträchtigungen der Aktivitäten an den ihr wichtigen Lebensbereichen teilhaben kann.

Zu den Beeinträchtigungen der Teilhabe zählen z.B. Einschränkungen in den Möglichkeiten der

– Selbstversorgung
– Mobilität (Fortbewegung in der Umgebung, Reisen)
– Bildung und Ausbildung
– Beschäftigung (Erwerbstätigkeit, Freizeit)
– sozialen Integration
– ökonomischen Eigenständigkeit (in Bezug auf die Sicherung des Lebensunterhaltes).

Kontextfaktoren

Kontextfaktoren stellen den gesamten Lebenshintergrund einer Person dar. Sie umfassen alle Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren, die für die Gesundheit einer Person von Bedeutung sind. Die Kontextfaktoren stehen in Wechselwirkung mit allen Komponenten der ICF (Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivitäten und Teilhabe).

Umweltfaktoren beziehen sich auf die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der die Menschen ihr Leben gestalten.

Zu den Umweltfaktoren zählen

Erzeugnisse und Technologien 
z.B. Vorhandensein oder Fehlen von Hilfsmitteln zur Unterstützung bei der Ausübung von Aktivitäten des täglichen Lebens (Hilfsmittel zur Selbstversorgung und Haushaltsführung, Hilfsmittel für die persönliche Mobilität, Hilfs-mittel zur Kommunikation und Information)
Natürliche und von Menschen veränderte Umwelt 
z.B. barrierefreie Infrastruktur, Wohn-, Geschäfts- und öffentliche Gebäude, Transportwege, Straßen 
Unterstützung und Beziehungen 
z.B. Vorhandensein oder Fehlen unterstützender und helfender Personen (Familienmitglieder, Arbeitskollegen, Freunde, Selbsthilfegruppen)
Einstellungen, Werte und Überzeugungen 
z. B. Werte, Normen, Einstellungen, Überzeugungen, die das Verhalten und soziale Leben auf allen Ebenen beeinflussen, wie in zwischenmenschlichen Beziehungen, auf kommunaler Ebene bis hin zu politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Strukturen
Dienstleistungen 
z. B. Vorhandensein oder Fehlen von lokalen oder regionalen Rehabilitationsdiensten öffentlicher oder privater Art
Politikfelder einschließlich Organisation und Struktur 
z. B. Vorhandensein oder Fehlen von Gesetzen, Verordnungen, Vorschriften, Regelungen und Standards, die Leistungen und Dienste, Programme oder andere infrastrukturelle Aktivitäten in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft regeln und organisieren.

Personbezogene Faktoren sind die Attribute oder Eigenschaften der Person, z.B. Alter, Geschlecht, Bildung und Ausbildung, Erfahrung, Persönlichkeit und Charakter, andere Gesundheitsprobleme, Fitness, Lebensstil, Gewohnheiten, Erziehung, Bewältigungsstile, Beruf sowie vergangene oder gegenwärtige Erlebnisse. Personbezogene Faktoren sind nicht in der ICF klassifiziert.

Kontextfaktoren können einen positiven, fördernden Einfluss (Förderfaktoren) auf alle Komponenten der funktionalen Gesundheit und somit auf den Rehabilitationsverlauf haben. Daher gilt es, diese möglichst früh zu erkennen und ihre rehabilitationsfördernde
Wirkung zu nutzen (Ressourcenkonzept der Rehabilitation). 

Kontextfaktoren können auch einen negativen, hemmenden Einfluss (Barrieren) auf alle Komponenten der funktionalen Gesundheit haben. Einige solcher negativ wirkenden Kontextfaktoren bedeuten sogar Gesundheits- bzw. Krankheitsrisiken, wobei die Wirkungsmechanismen nicht immer hinreichend geklärt sind. Kontextfaktoren sind indikationsspezifisch unterschiedlich zu werten (s. II Besonderer Teil).

Im Rahmen der negativ wirkenden Kontextfaktoren ist auch das etablierte Risikofaktorenkonzept der Rehabilitationsmedizin (z.B. Übergewicht, Rauchen, Alkohol) zu beachten. 

Positiv und negativ wirkende Kontextfaktoren sind deshalb bei der Indikationsstellung für die ambulante medizinische Rehabilitation, bei deren Durchführung und bei der sozialmedizinischen Beurteilung zu berücksichtigen. Auf diese Weise werden die individuelle Lebenssituation und der Bewältigungsstil des Rehabilitanden sowie die Einflussmöglichkeiten auf das soziale Netzwerk und die sozialen Unterstützungsformen (Social Support) einbezogen.

2.3 Rehabilitationsansatz

Medizinische Rehabilitation umfasst einen ganzheitlichen Ansatz, der über das Erkennen, Behandeln und Heilen einer Krankheit hinaus die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Gesundheitsproblemen einer Person – beschrieben in Form von Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten sowie der Teilhabe – und ihren Kontextfaktoren berücksichtigt, um einen bestmöglichen Rehabilitationserfolg im Sinne der Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben zu erreichen. Dies erfordert insbesondere die umfassende Berücksichtigung der Kontextfaktoren in Bezug auf Person und Umwelt als Voraussetzung
für einen bestmöglichen Rehabilitationserfolg. 

Dieser Rehabilitationsansatz erfordert – unter Berücksichtigung des Einzelfalls – die Anwendung von komplexen Maßnahmen auf medizinischen, pädagogischen, beruflichen und sozialen Sektoren und die Verzahnung insbesondere der ärztlichen, pflegerischen, physiotherapeutischen, ergotherapeutischen, logopädischen/ sprachtherapeutischen, diätetischen und psychotherapeutischen Versorgung unter Einschluss von Hilfen zur Bewältigung der Krankheitsfolgen und zur Verhaltensänderung mit dem Ziel des Abbaus von negativ wirkenden Kontextfaktoren.

2.4 Abgrenzung zur kurativen Versorgung

Auch wenn es eine strikte Trennung der verschiedenen Versorgungsbereiche nicht geben kann und soll, sind doch die besonderen Schwerpunkte und primären Ziele von Kuration und Rehabilitation zu beachten. Schematisch betrachtet ergeben sich folgende Unterschiede:

Die kurative Versorgung i. S. des SGB V ist im Unterschied zur medizinischen Rehabilitation

– primär zentriert auf das klinische Bild als Manifestation einer Krankheit/ Schädigung

und

– zielt auf Heilung bzw. Remission (kausale Therapie) oder bei Krankheiten mit Chronifizierungstendenz auf Vermeidung einer Verschlimmerung sowie Linderung der Krankheitsbeschwerden

und

– auf Vermeidung weiterer Krankheitsfolgen ab. 

Kurative Versorgung ist a priori kausal orientiert. Ihr konzeptionelles Bezugssystem ist in der Regel das bio-medizinische Krankheitsmodell und die entsprechende Klassifikation die ICD. Demgegenüber liegt der medizinischen Rehabilitation ein bio-psycho-soziales Modell von funktionaler Gesundheit und deren Beeinträchtigung zugrunde, das Gesundheit und Krankheit als Ergebnis des Ineinandergreifens physiologischer, psychischer und sozialer Vorgänge beschreibt. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass neben Erkenntnissen aus der medizinischen Versorgung auch die gesellschaftlichen Bedingungen, in denen die Rehabilitanden leben, Teil des Prozesses der medizinischen Rehabilitation werden.

2.5 Grundlage

Die medizinische Rehabilitation umfasst insbesondere

– die Rehabilitationsdiagnostik, die die Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivitäten und Teilhabe sowie die Kontextfaktoren mit ihrem fördernden oder hemmenden Einfluss beschreibt und bewertet
– den Rehabilitationsplan mit Beschreibung des Rehabilitationsziels
– die Rehabilitationsdurchführung und ihre Überprüfung
– die Dokumentation des Rehabilitationsverlaufs und der -ergebnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Rehabilitationsziels.

 

3. Indikationsstellung/Medizinische Voraussetzungen

Zur Klärung der Notwendigkeit und der Zielsetzung einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation sind folgende Voraussetzungen sozialmedizinisch zu prüfen:
– die Rehabilitationsbedürftigkeit
– die Rehabilitationsfähigkeit
– die Rehabilitationsprognose.

Diese Voraussetzungen sind wie folgt definiert:

3.1 Rehabilitationsbedürftigkeit

Rehabilitationsbedürftigkeit bezieht sich auf eine gesundheitlich bedingte drohende oder bereits manifeste Beeinträchtigung der Teilhabe, die über die kurative Versorgung hinaus den mehrdimensionalen und interdisziplinären Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich macht.

Dabei bezieht sich das gesundheitliche Problem auf die Schädigungen und die Beeinträchtigungen der Aktivitäten unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren.

3.2 Rehabilitationsfähigkeit

Der Begriff der Rehabilitationsfähigkeit bezieht sich auf die somatische und psychische Verfassung des Rehabilitanden (Motivation bzw. Motivierbarkeit und Belastbarkeit) für die Teilnahme an einer geeigneten Rehabilitation.

3.3 Rehabilitationsprognose

Die Rehabilitationsprognose ist eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage für den Erfolg der Rehabilitation

– auf der Basis der Erkrankung, des bisherigen Verlaufs, des Kompensationspotentials/der Rückbildungsfähigkeit unter Beachtung und Förderung individueller Ressourcen (Rehabilitationspotential einschließlich psychosozialer Faktoren)
– über die Erreichbarkeit eines festgelegten Rehabilitationsziels
– durch eine geeignete Rehabilitationsmaßnahme
– in einem notwendigen Zeitraum.

 

4. Individuelle Voraussetzungen

Neben den medizinischen Voraussetzungen muss der Rehabilitand für eine ambulante Rehabilitation

– über die zur Inanspruchnahme der Rehabilitation erforderliche Mobilität verfügen und
– die Rehabilitationseinrichtung in einer zumutbaren Fahrzeit erreichen können.

Die häusliche Versorgung des Rehabilitanden muss sichergestellt sein.

 

5. Rehabilitationsziele

5.1 Allgemeines Rehabilitationsziel

Ziel der medizinischen Rehabilitation ist, die drohenden oder bereits manifesten Beeinträchtigungen der Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft durch frühzeitige Einleitung der gebotenen Rehabilitationsmaßnahmen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Der Rehabilitand soll durch die Rehabilitation (wieder) befähigt werden, eine Erwerbstätigkeit oder bestimmte Aktivitäten des täglichen Lebens möglichst in der Art und in dem Ausmaß auszuüben, die für diesen Menschen als „normal“ (für seinen persönlichen Lebenskontext typisch) erachtet
werden.

Dieses Ziel kann erreicht werden durch

– vollständige Wiederherstellung der ursprünglichen Struktur und Funktion bzw. Aktivitäten und der Teilhabe
– größtmögliche Wiederherstellung der ursprünglichen Struktur und Funktion bzw. Aktivitäten und der Teilhabe
– Einsatz von „Ersatzstrategien“ bzw. Nutzung verbliebener Funktionen bzw. Aktivitäten (Kompensation)
– Anpassung der Umweltbedingungen an die Beeinträchtigung der Aktivitäten bzw. der Teilhabe des Rehabilitanden (Adaptation).

Das individuelle Rehabilitationsziel wird auf der Grundlage sozialmedizinischer Aussagen zur Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und Rehabilitationsprognose des Rehabilitanden bestimmt.

5.2 Trägerspezifische Rehabilitationsziele

Die Rehabilitation zielt

– in der Krankenversicherung darauf, eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern– in der Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte darauf, den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.

– in der Unfallversicherung darauf, den durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern, den Rehabilitanden auch dadurch möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern.

Hierzu kann die ambulante Form der medizinischen Rehabilitation insbesondere beitragen durch die
– Verkürzung von Arbeitsunfähigkeit, insbesondere durch gleichzeitige stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess
– erleichterte Kontaktaufnahme zum Betrieb zwecks frühzeitiger Einleitung innerbetrieblicher Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Wiedereingliederung (z.B. ergonomische Arbeitsplatzgestaltung)
– Förderung der (Re) Integration in das Wohnumfeld
– stärkere Aktivierung des Selbsthilfepotentials des Rehabilitanden durch Einbeziehung der Lebenswirklichkeit (z. B. Familie, Alltagsbelastungen, Arbeitswelt) in die rehabilitativen Bemühungen
– verbesserte Kooperation in der Nachsorge (z. B. Rehabilitationssport, Funktionstraining, Kontaktanbahnung zu Selbsthilfegruppen, Kooperation mit niedergelassenen Ärzten)
– Nutzung eingliederungsfördernder Ressourcen eines vorhandenen komplementären sozialen Netzwerkes von Hilfen (z.B. Sozialstationen, Integrationsfachdienste).

 

6. Zweckbestimmung der ambulanten Rehabilitation

Die ambulante Rehabilitation kann in Betracht kommen

– anstelle einer stationären Rehabilitationsmaßnahme als eigenständiges interdisziplinäres Konzept – zur Verkürzung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme bei ambulanter Fortsetzung eines stationär begonnenen Rehabilitationsprogramms – im Anschluss an eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme unter besonderer Berücksichtigung der beruflichen Wiedereingliederung.
 


7. Angebotsstruktur der ambulanten Rehabilitation

Ein ambulantes wohnortnahes Rehabilitationsangebot mit ausreichender Therapiedichte und gesicherter Qualität, das die Alltagsbedingungen des Rehabilitanden berücksichtigt, vervollständigt in sinnvoller Weise das Angebot der Rehabilitation i.S. einer auf die unterschiedliche individuelle Rehabilitationsbedürftigkeit ausgerichteten flexiblen Versorgungsstruktur.

Aus konzeptionellen und wirtschaftlichen Erwägungen sollte die Durchführung ambulanter Rehabilitationsmaßnahmen von einem ausreichenden Rehabilitandenaufkommen abhängig gemacht werden, um ein qualifiziertes Rehabilitationsteam vorhalten und Maßnahmen zur Qualitätssicherung effektiv durchführen zu können.

Für eine an diesen Vorgaben ausgerichtete ambulante Rehabilitation ist ein bedarfsgerechtes, differenziertes Leistungsangebot erforderlich, das sich an den für die stationäre Rehabilitation entwickelten Grundsätzen orientiert. Die dort geltenden konzeptionellen Anforderungen an die Rehabilitationsdiagnostik, den Rehabilitationsplan, die Rehabilitationsdurchführung sowie die Erfolgskontrolle und die Dokumentation müssen entsprechend der Aufgabenstellung der ambulanten Rehabilitation umgesetzt werden. Die Beratung des Rehabilitanden, auch zur Vorbereitung auf die vorgesehene Maßnahme, sowie die Qualitätssicherung und die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme müssen gewährleistet sein.

Ziele des Ausbaus einer ambulanten Rehabilitationsstruktur sind die Optimierung des Rehabilitationsangebotes für die Rehabilitanden und Entlastungseffekte in anderen Versorgungsbereichen (z. B. in der kurativen Versorgung, in der stationären medizinischen Rehabilitation).

 

8. Ausschlusskriterien

Bei der ambulanten Rehabilitation im Sinne eines komplexen Therapieprogramms sind eine Reihe allgemeiner Ausschlusskriterien zu berücksichtigen.

Gegen eine ambulante Rehabilitation sprechen folgende Kriterien:

– eine kurative Behandlung einschließlich Heil- und Hilfsmittelversorgung reicht aus
– eine stationäre Behandlung in einer Rehabilitationsklinik ist notwendig wegen
  • der Art oder des Ausmaßes der Schädigungen oder Beeinträchtigungen der Aktivitäten, die durch ambulante Rehabilitation nicht ausreichend behandelt werden können 
  • stark ausgeprägter Multimorbidität, die unterschiedliche Indikationen betrifft und durch ambulante Rehabilitation nicht ausreichend behandelt werden kann
  • mangelnder psychischer Belastbarkeit
  • der Notwendigkeit pflegerischer Betreuung und ständiger ärztlicher Überwachung
  • der Notwendigkeit einer zeitweisen Entlastung und Distanzierung vom sozialen Umfeld.

Darüber hinaus sind ggf. indikationsspezifische Ausschlusskriterien (s. II Besonderer Teil) zu beachten.

 

9. Anforderungen an die ambulante Rehabilitationseinrichtung

Die ambulante Rehabilitation wird in qualifizierten Einrichtungen nach indikationsspezifischen Konzepten erbracht, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse die Inhalte und Ziele der Rehabilitation nach den Prinzipien Komplexität, Interdisziplinarität und Individualität definieren.

9.1 Ganzheitlicher Ansatz

Neben den indikationsbezogenen Therapieansätzen ist im Konzept der Einrichtung insbesondere auf die Teilhabe am Arbeitsleben und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, die Probleme der Multimorbidität, der Krankheitsverarbeitung sowie auf die positiv und negativ wirkenden Kontextfaktoren einzugehen. Die ambulante Rehabilitation soll daher auch Hilfen zur Änderung eines gesundheitlichen Fehlverhaltens beinhalten, z. B. bei Übergewicht, Bewegungsmangel, Suchtverhalten sowie bei körperlichem und seelischem Stress. Die sozialmedizinische Beurteilung muss gewährleistet sein.

9.2 Rehabilitationskonzept

Ambulante Rehabilitationseinrichtungen müssen über ein strukturiertes Rehabilitationskonzept verfügen, das den spezifischen Anforderungen der zu behandelnden Rehabilitandengruppen (Indikationen) entspricht.

9.3 Diagnostik

Die rehabilitationsspezifische Diagnostik muss in der Einrichtung durchgeführt werden können. Überdies sind eine umfassende Sozialanamnese und ggf. eine Arbeitsanamnese zu erheben.

Vor Beginn der ambulanten Rehabilitation soll die erforderliche medizinische Diagnostik (einschließlich Differentialdiagnostik) bereits durchgeführt sein, um Belastungen des Rehabilitanden, die Einbuße von Therapiezeiten und erhöhte Kosten zu vermeiden.

9.4 Rehabilitationsplan

Für jeden Rehabilitanden ist ein detaillierter individueller Rehabilitationsplan zu erstellen, der die Zielsetzungen der verschiedenen Therapiebereiche mit einschließt und sich an einer langfristigen Strategie zur Bewältigung der (chronischen) Erkrankung / des Gesundheitsproblemes orientiert. Der Rehabilitationsplan muss den regionalen Gegebenheiten bezüglich der Therapieangebote Rechnung tragen. Er ist vom Arzt unter Mitwirkung der anderen Mitglieder des Rehabilitationsteams zu erstellen und im Laufe der Behandlung der aktuellen Situation anzupassen. Der Rehabilitand und ggf. seine Angehörigen/ Bezugsperson sind bei der Erstellung des Rehabilitationsplans bzw. der Anpassung zu beteiligen.

Zur Erstellung eines Rehabilitationsplans gehört auch die Berücksichtigung weiterführender Maßnahmen, d.h., neben der ggf. erforderlichen Anregung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch die Beratung bei einer notwendigen Wohnungsumgestaltung, bei der Auswahl von Hilfsmitteln und bei der Gestaltung der häuslichen Versorgung. Darüber hinaus sollte Kontakt zur relevanten Selbsthilfegruppe hergestellt werden.

9.5 Ärztliche Leitung und Verantwortung

Ambulante Rehabilitation muss unter Leitung und Verantwortung eines Arztes mit Gebietsbezeichnung der Hauptindikation der Einrichtung stehen, der über mindestens zweijährige vollzeitige rehabilitative und sozialmedizinische Erfahrungen verfügt und die Zusatzbezeichnung Rehabilitationswesen oder Sozialmedizin führen soll.

Sind im Ausnahmefall die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt, beurteilen die Leistungsträger die für die Einrichtung notwendigen fachgebietsspezifischen und rehabilitativen Kompetenzen anhand der nachgewiesenen Weiterbildungszeiten und -inhalte. Reichen diese nicht aus, können die Leistungsträger ein entsprechend qualifiziertes Leitungsteam als ärztliche Leitung im Sinne des vorstehenden Absatzes anerkennen. Der leitende Arzt oder sein benannter ständiger Vertreter müssen während der
Öffnungszeiten der Einrichtung präsent und verfügbar sein.

Der leitende Arzt hat die Aufgabe, erforderliche rehabilitationsdiagnostische Maßnahmen durchzuführen bzw. zu veranlassen, die individuell geeigneten Rehabilitationsmaßnahmen festzulegen, ihre Qualität zu sichern und den Rehabilitanden rehabilitationsspezifisch zu behandeln und zu betreuen. 

Weitere Aufgaben des leitenden Arztes sind insbesondere

– Leitung des Rehabilitationsteams
– Koordination und Abstimmung der Rehabilitationsplanung
– Durchführung von regelmäßigen (mind. einmal pro Woche) patientenbezogenen Teambesprechungen
– Kooperation mit vor- und nachbehandelnden Ärzten, Konsiliarärzten und Konsiliardiensten
– Durchführung von Zwischenuntersuchungen und Anpassung des Rehabilitationsplans
– Abschlussuntersuchung
– Entlassungsbericht mit sozialmedizinischer Beurteilung und Hinweisen für weiterführende Maßnahmen im Rahmen der Nachsorge.

9.6 Rehabilitationsteam und Qualifikation

Das Rehabilitationsteam der ambulanten Einrichtung setzt sich entsprechend den indikationsspezifischen Anforderungen aus Ärzten und nicht-ärztlichen Fachkräften, wie z. B. Physiotherapeuten/Krankengymnasten, Masseuren und Medizinischen Bademeistern, Ergotherapeuten, Logopäden/Sprachtherapeuten, Klinischen Psychologen, Sozialarbeitern/Sozialpädagogen, Sportlehrern/ Sporttherapeuten, Diätassistenten und Gesundheits- und Krankenpflegern zusammen.

An die einzelnen Berufsgruppen im Rehabilitationsteam sind die folgenden und ggf. die in den indikationsspezifischen Konzepten (s. II Besonderer Teil) genannten zusätzlichen Anforderungen an Qualifikation und Berufserfahrung zu stellen.

9.6.1 Arzt / Ärztin*)

Hinsichtlich des leitenden Arztes wird auf Ziffer 9.5 verwiesen. Der Vertreter des leitenden Arztes muss über eine vergleichbare Qualifikation verfügen wie der leitende Arzt der Einrichtung.

Die weiteren Ärzte müssen über die in den indikationsspezifischen Konzeptionen festgelegte Qualifikation bzw. klinische Erfahrung verfügen.

_________________
*) Im Folgenden wird auf die weibliche Form der Berufsbezeichnung verzichtet.

9.6.2 Physiotherapeut / Krankengymnast

– Staatliche Anerkennung als Physiotherapeut/Krankengymnast ggf. mit indikationsspezifischer Zusatzqualifikation oder Weiterbildung und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Physiotherapeut/Krankengymnast in einer Rehabilitationseinrichtung.

9.6.3 Masseur und Medizinischer Bademeister

– Staatliche Anerkennung als Masseur und Medizinischer Bademeister ggf. mit indikationsspezifischer Zusatzqualifikation oder Weiterbildung und
– Grundlagenkenntnisse in Bewegungslehre und medizinischer Aufbautherapie und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Masseur und Medizinischer Bademeister in einer Rehabilitationseinrichtung.

9.6.4 Ergotherapeut

– Staatliche Anerkennung als Ergotherapeut ggf. mit indikationsspezifischer Zusatzqualifikation oder Weiterbildung und
– Grundlagenkenntnisse in arbeitsrehabilitativen Maßnahmen, Ergonomie, Arbeitsplatzanpassung und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Ergotherapeut in einer Rehabilitationseinrichtung.

9.6.5 Logopäde / Sprachtherapeut

– Staatliche Anerkennung als Logopäde/Sprachtherapeut ggf. mit indikationsspezifischer Zusatzqualifikation oder Weiterbildung und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Logopäde/Sprachtherapeut in einer Rehabilitationseinrichtung.

9.6.6 Klinischer Psychologe

– Diplom als Psychologe und
– ggf. Anerkennung als klinischer Neuropsychologe durch die Fachgesellschaften und
– ggf. psychotherapeutische Zusatzqualifikation und
– Zusatzqualifikation in Entspannungstechniken (z.B. Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson) und
– Erfahrung in der Leitung von Gruppen und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Psychologe in einer Rehabilitationseinrichtung.

9.6.7 Sozialarbeiter / Sozialpädagoge

– Diplom/staatliche Anerkennung als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge und
– Erfahrung in der Einzelfallhilfe und
– Aus-, Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge in einer Rehabilitationseinrichtung.

9.6.8 Diätassistent

– Staatliche Anerkennung als Diätassistent ggf. mit indikationsspezifischer Zusatzqualifikation oder Weiterbildung und
– mind. 2 Jahre vollzeitige klinische Berufserfahrung in der Diät- und Ernährungsberatung.

9.6.9 Gesundheits- und Krankenpfleger

– Staatliche Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger ggf. mit indikationsspezifischer Zusatzqualifikation oder Weiterbildung und
– Erfahrung in der fachlichen Beratung, Anleitung und praktischen Unterstützung von medizinischen Laien und
– mind. 2 Jahre vollzeitige klinische Berufserfahrung als Gesundheits- und Krankenpfleger in einer medizinischen Einrichtung.

9.6.10 Sportlehrer / Sporttherapeut

– Wissenschaftliche Ausbildung zum Diplom-Sportlehrer mit medizinischer Ausrichtung (z. B. Fachrichtung Rehabilitation) oder Zusatzqualifikation Bewegungstherapie/ Sporttherapie und
– Weiterbildung in medizinischer Aufbautherapie und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Sportlehrer/Sporttherapeut in einer Rehabilitationseinrichtung.
 
 

10. Räumliche Ausstattung

Die räumliche Ausstattung der ambulanten Rehabilitationseinrichtung muss so bemessen und beschaffen sein, dass das jeweilige indikationsspezifische Rehabilitationskonzept umgesetzt werden kann.

 

11. Apparative Ausstattung

Die apparative Ausstattung muss die Durchführung der speziellen indikationsbezogenen Funktionsdiagnostik und Therapie gewährleisten. Nach Möglichkeit sollen im Funktionsverbund externe Apparate für die ambulante Rehabilitation mitgenutzt werden.

 

12. Behandlungselemente

Zu den Behandlungselementen der ambulanten Rehabilitation zählen insbesondere

– ärztliche Behandlung und Betreuung, Planung und Überwachung des Rehabilitationsprogramms
– Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln
– Physiotherapie/Krankengymnastik einschließlich Physikalischer Therapie, Bewegungstherapie und Sporttherapie
– Ergotherapie
– Sprachtherapie
– psychologische Beratung/Psychotherapie
– psychosoziale Beratung (auch in Fragen zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) und Betreuung
– Programme zur Information, Motivation und Schulung (Gesundheitsbildung, -training)
– Krankenpflege
– Maßnahmen in Bezug auf die Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. Belastungserprobung, Arbeitstherapie)
– Ernährungsberatung

Die einzusetzenden Behandlungselemente variieren entsprechend der jeweiligen Indikation.

 

13. Leistungsbewilligung

Ambulante Rehabilitationsmaßnahmen bedürfen vor Beginn der Bewilligung durch den zuständigen Rehabilitationsträger (Kranken-, Renten-, Unfallversicherungsträger). Umfang, Dauer und Intensität der Maßnahmen richten sich nach den indikationsspezifischen Anforderungen und dem individuellen Rehabilitationsziel.

Als ergänzende Leistungen zur Erreichung und Sicherung des Zieles der ambulanten Rehabilitation kommen insbesondere in Betracht

– Entgeltersatzleistungen (Krankengeld, Übergangsgeld, Verletztengeld)

– Reisekostenerstattung

– Betriebshilfe

– Haushaltshilfe

– Rehabilitationssport, Funktionstraining.

 

14. Verlängerungskriterien

Unter dem Gesichtspunkt einer individualisierten und ergebnisorientierten Rehabilitation ist auch im ambulanten Bereich nach vorheriger Genehmigung durch den jeweiligen Leistungsträger in begründeten Fällen eine Verlängerung möglich bei

– Verzögerung im Erreichen des Rehabilitationsziels bei bestehender positiver Rehabilitationsprognose und gegebener Rehabilitationsfähigkeit (z.B. interkurrente Erkrankungen).

 

15. Berufliche Wiedereingliederung

Der Rehabilitand im erwerbsfähigen Alter wird bei Bedarf im Verlauf der ambulanten Rehabilitation zur Frage der Teilhabe am Arbeitsleben beraten und unterstützt. Bei Einwilligung des Rehabilitanden kann bereits während der Rehabilitationsmaßnahme vom Rehabilitations-Fachberater der zuständige Betriebsarzt bzw. der Arbeitgeber angesprochen werden, um alle Möglichkeiten der beruflichen Wiedereingliederung zu prüfen, z. B. durch eine stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess oder um andere Maßnahmen der beruflichen Integration vorzubereiten.

Ist absehbar, dass der Rehabilitand nicht an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren kann, und kommt auch eine innerbetriebliche Umsetzung auf einen anderen ggf. der Behinderung angepassten Arbeitsplatz voraussichtlich nicht in Betracht, ist der zuständige Träger der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben einzuschalten.

Ein Mitglied des Rehabilitationsteams ist als ständiger Ansprechpartner bzw. Kontaktperson für Fragen zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu benennen

 

16. Entlassungsbericht

Nach Beendigung der ambulanten Rehabilitationsmaßnahme erhalten der behandelnde Arzt und der zuständige Rehabilitationsträger einen Entlassungsbericht, der u.a. folgende Angaben enthalten muss:

    – Rehabilitationsverlauf unter Angabe der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen

    – Ergebnisse der abschließenden Leistungsdiagnostik und der sozialmedizinischen Beurteilung; diese umfassen z.B. die Stellungnahme

  • zur Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben unter Bezugnahme auf den beruflichen Kontext

  • zur Leistungsfähigkeit im Alltag bezogen auf die Selbständigkeit bei den Verrichtungen des täglichen Leben, insbesondere zur psychosozialen Situation und/oder zur Frage der Vermeidung oder Minderung von Pflegebedürftigkeit

  • zur Krankheitsverarbeitung, zum Lebensstil einschl. Risikofaktorenkonstellation und Motivation zur Lebensstilveränderung

    – Empfehlungen für weiterführende Leistungen zur Sicherung des Rehabilitationserfolges (z. B. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Rehabilitationssport und Funktionstraining)

    – Empfehlungen zur Wiedereingliederung in das soziale Umfeld bzw. zur psychosozialen Betreuung.

Werden im Entlassungsbericht betriebliche Maßnahmen vorgeschlagen, sollte, mit Einwilligung des Rehabilitanden, auch der betriebsärztliche Dienst den Teil des Entlassungsberichts, der diese Vorschläge enthält, erhalten.

 

17. Kooperation

Die ambulante Rehabilitationseinrichtung arbeitet mit den anderen an der Versorgung der Rehabilitanden Beteiligten (z.B. niedergelassene Ärzte, Akutkrankenhäuser, Rehabilitationskliniken, Betriebsärzte, öffentlicher Gesundheitsdienst, Sozialstationen, Selbsthilfegruppen) eng zusammen.

Durch zweckmäßige Organisations- und Kooperationsformen ist sicherzustellen, dass die ambulante Rehabilitation als integrativer Bestandteil der regionalen Versorgungsstruktur zur möglichst raschen und dauerhaften Eingliederung der Rehabilitanden beiträgt.

 

18. Dokumentation

Für jeden Rehabilitanden ist eine Dokumentation anzulegen, aus der alle rehabilitationsrelevanten Diagnosen und durchgeführten/geplanten Therapieformen entnommen werden können, um den Rehabilitationsprozess transparent und vergleichbar zu machen. Die Dokumentation muss insbesondere umfassen:

– den individuellen Rehabilitationsplan des Rehabilitanden betreffend Art, Häufigkeit und Intensität der Behandlungselemente
– die Teilnahmedokumentation des Rehabilitanden in einem Behandlungsheft/ Rehabilitationstagebuch
– sämtliche erhobene anamnestische Daten, klinische Befunde und deren Interpretation
– das definierte Rehabilitationsziel und die Bewertung des Rehabilitationserfolges durch Zwischenuntersuchungen in bestimmten Zeitabständen sowie der Abschlussuntersuchung/-befundung
– die Angaben zu den Visiten und Teambesprechungen/Fallkonferenzen
– den Entlassungsbericht.

 

19. Qualitätssicherung

Für die ambulanten Rehabilitationseinrichtungen besteht die Verpflichtung, an einem Qualitätssicherungsprogramm der Rehabilitationsträger teilzunehmen.

19.1 Strukturqualität

Zur qualitätsgesicherten Struktur der ambulanten Rehabilitation müssen die in diesen Rahmenempfehlungen gestellten Anforderungen an die personelle, räumliche und apparative Ausstattung der ambulanten Rehabilitationseinrichtungen indikationsspezifisch erfüllt sein.

19.2 Prozessqualität

Vorgaben für den qualitätsgesicherten Verlauf der ambulanten Rehabilitation sind das Rehabilitationskonzept der Einrichtung und die individuellen Rehabilitationspläne der Rehabilitanden. Die Einhaltung der Rehabilitationspläne (Art, Häufigkeit, Dauer und Intensität der Maßnahmen) ist anhand einer patientenbezogenen standardisierten Dokumentation zu gewährleisten.

19.3 Ergebnisqualität

Im Rahmen der Zwischenuntersuchungen und der Abschlussbefundung ist zu überprüfen und zu dokumentieren, ob und in welchem Ausmaß das im individuellen Rehabilitationsplan definierte Rehabilitationsziel erreicht wurde. Falls aus medizinischen Gründen notwendig, werden Rehabilitationsziel und/oder Rehabilitationsplan modifiziert.

Katamnestische Erhebungen mit dem Ziel des Erkenntnisgewinns über die Realisierung vorgeschlagener Maßnahmen und Empfehlungen sind anzustreben. Dies gilt auch für die Teilhabe am Arbeitsleben und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.

 

20. Beendigung der Maßnahme

Die ambulante Rehabilitationsmaßnahme ist zu beenden, wenn sich erst während der Rehabilitationsmaßnahme die unter Ziffer 8 genannten Ausschlusskriterien zeigen, oder wenn das Rehabilitationsziel erreicht ist, oder die medizinischen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.


II Besonderer Teil

Konzeption zur ambulanten neurologischen Rehabilitation

1. Allgemeines

Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems sind hinsichtlich ihrer Ätiologie, Lokalisation, Ausdehnung und ihres Krankheitsverlaufes heterogen und führen zu komplexen Krankheitsfolgen. Sie erfordern daher ein entsprechend differenziertes und komplexes Behandlungs- und Rehabilitationskonzept.

 

2. Indikationsstellung / Medizinische Voraussetzungen

Die ambulante neurologische Rehabilitation ist indiziert, wenn – als Folge von Schädigungen und/oder Beeinträchtigung der Aktivitäten, die vor allem durch eine Erkrankung des zentralen oder peripheren Nervensystems verursacht sind, Beeinträchtigungen der Teilhabe drohen oder bereits manifest sind, d.h. Rehabilitationsbedürftigkeit besteht.

– Rehabilitationsfähigkeit besteht
– eine positive Rehabilitationsprognose gestellt werden kann
– die individuellen Voraussetzungen erfüllt sind.

Die vorstehenden Begriffe sind im Allgemeinen Teil definiert. Die sozialmedizinische Indikation zu einer ambulanten neurologischen Rehabilitation hat also nicht allein eine medizinische Diagnose zur Voraussetzung, sondern ergibt sich erst aus der zusammenfassenden Analyse und Bewertung der unter Ziffer 2.3 bis 2.6 beschriebenen Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten und der Teilhabe unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren.

2.1 Vorbedingung / Diagnosen

Unter Berücksichtigung der unter Ziffer 2 genannten medizinischen Voraussetzungen kann eine ambulante neurologische Rehabilitation insbesondere bei einer der nachfolgend aufgeführten Krankheiten angezeigt sein 

– vaskuläre Erkrankungen (z.B. Zustand nach Hirninfarkt oder -blutung, Subarachnoidalblutung, cerebrale Hypoxie, vaskuläre Erkrankung im Bereich des Rückenmarks)
– Hirn- oder Rückenmarkverletzungen
– sonstige Erkrankungen mit toxischen/metabolischen Schädigungen des Gehirns
– entzündliche Erkrankungen des Gehirns und des Rückenmarks und ihrer Häute (z.B. Meningitis, Meningoenzephalitis, Enzephalitis, Enzephalomyelitis disseminata, Myelitis)
– Neubildungen an Hirn oder Rückenmark (Zustand nach operativ, strahlentherapeutisch oder konservativ behandelten Hirn- oder Rückenmarktumoren)
– degenerative Hirn- oder Rückenmarkerkrankungen (z.B. Parkinsonsyndrom)
– Erkrankungen und Verletzungen des peripheren Nervensystems (z.B. Polyneuropathie, Guillain-Barré-Syndrom, Plexuslähmung)
– Myopathien *) .

____________________
*) Die Differentialindikationsstellung zur ambulanten Rehabilitation bei muskuloskeletalen Erkrankungen ist zu beachten.

2.2 Anforderungen an die medizinische Diagnostik vor Einleitung der Rehabilitation

Die medizinische Diagnostik der Grunderkrankung, der Schädigungen einschließlich evtl. vorliegender Begleiterkrankungen, die zur Rehabilitation führen, einschließlich der Differentialdiagnostik, sollte vor Einleitung der Rehabilitationsmaßnahme abgeschlossen sein.

Zu dieser Diagnostik zählen u.a.:

– klinisch neurologische Untersuchungen (einschl. psychischer und mentaler Status)
– konventionelle Röntgenuntersuchungen
– spezielle Untersuchungen wie CT, NMR 
– EEG
– EMG, ENG
– evozierte Potentiale
– Liquordiagnostik 

 

zur Abklärung der Ätiologie, Pathogenese und Prognose der Erkrankung.

Bestehen weitere Erkrankungen, die die Rehabilitation beeinflussen können, wie z.B. kardiopulmonale Erkrankungen, sollten diese vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme diagnostiziert sein und während der Rehabilitationsmaßnahme berücksichtigt werden. Dabei sind das Ausmaß der Schädigungen und die sich daraus ergebenden Störungen im Hinblick auf die allgemeine Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit genau zu bezeichnen.

2.3 Körperfunktionen und Körperstrukturen

Schädigungen bei neurologischen Erkrankungen sind definiert als ein Verlust oder eine Normabweichung in der Körperstruktur und/oder -funktion in diesem Indikationsbereich. Sie können sich

– akut
– als akute Verschlechterung bei chronischem Verlauf
– als langsame Verschlechterung bei chronischem Verlauf
– mit Besserungstendenz bei chronischem Verlauf

manifestieren, wobei es vielfältige Überschneidungsmöglichkeiten gibt. 

Charakteristische Schädigungen bei den o.g. Erkrankungen sind

– Störungen der aktiven und/oder passiven Beweglichkeit (z.B. bei Lähmungen)
– Sensibilitätsstörungen einschl. Missempfindungen, Schmerzen und regionale Schmerzsyndrome einschl. Reflexdystrophie
– Störungen der Sinneswahrnehmungen (z.B. cerebrale Seh- oder Hörstörungen)
– mental/kognitive und/oder psychische Störungen (z.B. Störungen der räumlich/ visuellen Wahrnehmung, Apraxie, Neglect, Agnosie, Aufmerksamkeitsstörungen, Lern- und Gedächtnisstörungen, Störungen der zeitlichen und räumlichen Orientierung, Störungen des problemlösenden Denkens und Planens, Akalkulie, Störungen des Antriebs und der Motivation, des Affektes oder des Willens, fehlende Krankheitseinsicht, Persönlichkeitsänderungen)
– Störungen der Sprachfunktion und des Sprechens (z.B. Aphasie, Dysarthrie)
– Störungen der Schluckfunktion
– Störungen der Harnblasen- und Darmentleerung.

2.4 Aktivitäten

In Folge der o.g. Schädigungen und deren Auswirkungen können Beeinträchtigungen der Aktivitäten 2) auftreten u.a.

– in der Selbstversorgung/Selbstorganisation, wie

  • Nahrungszubereitung 
  • Nahrungsaufnahme 
  • Körperpflege 
  • An- und Auskleiden 
  • Toilettenbenutzung 
  • Strukturierung des Tagesablaufs

– in der Bewegung (z.B. Fortbewegung, körperliche Beweglichkeit, Geschicklichkeit), wie

  • Gehen 
  • Treppensteigen 
  • Benutzen von Verkehrsmitteln 
  • Heben und Tragen 
  • Hand- und Armgebrauch 

– im häuslichen Leben

  • Erledigung von Einkäufen
  • Haushaltsführung

– in der Kommunikation (Informationsaufnahme und -verarbeitung), wie

  • Sprechen 
  • Hören und Verstehen 
  • Sehen und Erkennen (Symbolverständnis) 
  • Schreiben und Lesen (Lesesinnverständnis)

– in den Bereichen Lernen und Wissensanwendung, allgemeine Aufgaben und Anforderungen, wie

  • Lesen

  • Schreiben

  • Probleme lösen

  • tägliche Routine durchführen

  • mit Stress und anderen psychischen Anforderungen umgehen

– im (situationsgerechten) Verhalten, im Hinblick auf

  • die persönliche Sicherheit
  • alltägliche Situationen
  • die Ausübung der beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Rolle (soziale Interaktionen)
  • die Krankheitsverarbeitung.

_________________
2) Die Abgrenzung von Schädigungen und Beeinträchtigungen von Aktivitäten ist besonders im neuro-logischen
Bereich oft schwierig. Aktivitäten setzen Integration und Bündelung verschiedener Funktionen
voraus. So sind beispielsweise für die sprachliche Kommunikation (Aktivität) Funktionen u.a.
der Bereiche Sprache, Sprechen, Verständnis hörbarer Botschaften und Erkennen kommunikativer
Signale erforderlich.

2.5 Teilhabe

In Folge der o.g. Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten können Beeinträchtigungen der Teilhabe in folgenden unterschiedlichen Bereichen auftreten

– in der Unabhängigkeit zur Führung eines möglichst erfüllten und selbständigen Lebens (in Bezug auf Selbstversorgung, Selbstorganisation)
– in der Mobilität in der näheren oder weiteren Umgebung
– in der Bildung und Ausbildung
– in der Beschäftigung (z.B. Schulbesuch, Haushaltsführung, Alltags- oder Erwerbstätigkeit, Freizeitaktivitäten)
– in der sozialen Integration/Reintegration (z.B. im Hinblick auf soziale Beziehungen, Regeln und Verhaltensweisen).

2.6 Kontextfaktoren

Kontextfaktoren stellen den gesamten Lebenshintergrund einer Person dar. Sie umfassen alle Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren, die für die Gesundheit einer Person von Bedeutung sind. Die Kontextfaktoren stehen in Wechselwirkung mit allen Komponenten der ICF (Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivitäten und Teilhabe).

Umweltfaktoren beziehen sich auf die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der die Menschen ihr Leben gestalten.

Personbezogene Faktoren sind die Attribute oder Eigenschaften der Person, z.B. Alter, Geschlecht, Bildung und Ausbildung, Erfahrung, Persönlichkeit und Charakter, andere Gesundheitsprobleme, Fitness, Lebensstil, Gewohnheiten, Erziehung, Bewältigungsstile, Beruf sowie vergangene und gegenwärtige Erlebnisse. Personbezogene Kontextfaktoren sind nicht in der ICF klassifiziert.

Kontextfaktoren können einen positiven, fördernden Einfluss (Förderfaktoren) auf alle Komponenten der funktionalen Gesundheit und somit auf den Rehabilitationsverlauf haben. Daher gilt es, diese möglichst früh zu erkennen und ihre rehabilitationsfördernde Wirkung zu nutzen (Ressourcenkonzept der Rehabilitation). 

Kontextfaktoren können auch einen negativen, hemmenden Einfluss (Barrieren) auf alle Komponenten der funktionalen Gesundheit haben. Einige solcher negativ wirkenden Kontextfaktoren bedeuten sogar Gesundheits- bzw. Krankheitsrisiken, wobei die Wirkungsmechanismen nicht immer hinreichend geklärt sind. Im Rahmen der negativ wirkenden Kontextfaktoren ist auch das etablierte Risikofaktorenkonzept der Rehabilitationsmedizin (z.B. Übergewicht, Rauchen, Alkohol) zu beachten. Kontextfaktoren bestimmen demnach maßgeblich, ob eine Rehabilitation ambulant durchgeführt werden kann.

Positiv und negativ wirkende Kontextfaktoren sind deshalb bei der Indikationsstellung für die ambulante medizinische Rehabilitation, bei deren Durchführung und bei der sozialmedizinischen Beurteilung zu berücksichtigen. Auf diese Weise werden die individuelle Lebenssituation und der Bewältigungsstil des Rehabilitanden sowie die Einflussmöglichkeiten auf das soziale Netzwerk und die
sozialen Unterstützungsformen (Social Support) einbezogen.

Eine auf die individuellen Fähigkeiten des Rehabilitanden positiv oder negativ einwirkende physikalische oder soziale Umwelt beeinflusst den Rehabilitationserfolg nachhaltig. Zu diesen Umweltfaktoren, deren positive Wirkung für die ambulante neurologische Rehabilitation von besonderer Bedeutung sein können, zählen z.B.

– Hilfstechnologie/Hilfsmittel zur Unterstützung bei der Ausübung von Aktivitäten
– Produkte und Substanzen für den persönlichen Verbrauch (z.B. Medikamente)
– Produkte und Technologien zum persönlichen Gebrauch im täglichen Leben oder bei der Erwerbstätigkeit
– Produkte für Transport und persönliche Mobilität
– Produkte und Technologien zur Kommunikation
– persönliche Unterstützung und Assistenz durch Bezugspersonen
– Gesundheitsaufklärung und -bildung
– soziale Sicherung und soziale Einrichtungen (z.B. zur weiteren rehabilitativen Versorgung)
– natürliche und vom Menschen veränderte Umwelt mit barrierefreier Gestaltung (z.B. von Wohn-, Geschäfts- und öffentlichen Gebäuden sowie Wegeführung).

2.7 Individuelle Voraussetzungen

Neben den medizinischen Voraussetzungen muss der Rehabilitand für eine ambulante Rehabilitation

– über die somatische und psychische Belastbarkeit verfügen,

– eine entsprechende Motivation3) besitzen,

– über Selbständigkeit im Bereich der Selbstversorgung und des aktiven Fortbewegens, evtl. mit Hilfsmitteln; im allgem. entsprechend Barthel-Index4) ( 80 und durchgängige Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft, Handlungs und Lernfähigkeit sowie hinreichende Orientierung verfügen)

– die ambulante Rehabilitationseinrichtung in einer zumutbaren Fahrzeit erreichen können.

Die häusliche Versorgung des Rehabilitanden sowie seine sonstige medizinische Versorgung müssen sichergestellt sein.

_________________________
3) Bei der Berücksichtigung der Motivation ist zu beachten, dass ggf. eine organisch bedingte Störung der Motivation vorliegen kann.

4) Vgl. Biefang/Potthoff/Schliehe, Assessmentverfahren für die Rehabilitation, Hogrefe Verlag, Göttingen, 1999.

 

3. Rehabilitationsziele

Ziele der medizinischen Rehabilitation sind die drohenden oder bereits manifesten Beeinträchtigungen der Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft durch frühzeitige Einleitung der gebotenen Rehabilitationsmaßnahmen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Der Rehabilitand soll durch die Rehabilitation (wieder) befähigt werden, eine Erwerbstätigkeit oder bestimmte Aktivitäten des täglichen Lebens möglichst in der Art und in dem Ausmaß auszuüben, die für diesen Menschen als „normal“ (für seinen persönlichen Lebenskontext typisch) erachtet werden.

Dieses Ziel kann in der ambulanten neurologischen Rehabilitation erreicht werden durch

– Beseitigung oder Verminderung der Schädigungen (auf körperlicher, geistiger und psychischer Ebene)
– Wiederherstellung oder Verbesserung der beeinträchtigten Fähigkeiten (Ebene der Aktivitäten)
– Kompensation (Ersatzstrategien)
– Adaptation
– Krankheitsverarbeitung.

 

3.1 Rehabilitationsziele bezogen auf Körperfunktionen und Körperstrukturen

Ziele sind die Abwendung, Beseitigung, Minderung, Verhütung der Verschlimmerung oder Milderung der Folgen von Schädigungen unter Berücksichtigung der unter Ziffer 2.1 genannten Diagnosen, insbesondere bezüglich 

– toxische, entzündliche, metabolische oder degenerative Schädigungen des Nervensystems
– Bewegungsstörungen (z.B. schlaffe oder spastische Paresen, Rigor, Tremor, Akinese)
– Cerebrale Seh-, Hör-, Sprach- und Sprechstörungen
– mental/kognitive und psychische Störungen (z.B. im Hinblick auf zeitliche und örtliche Orientierung, Krankheitseinsicht, Gedächtnis, Körperwahrnehmung)
– Sensibilitätsstörungen und Schmerzen (z.B. Neuropathie, Kausalgie, Phantomschmerz, Cephalgie)
– Gleichgewichtsstörungen, Schwindel, Kopfschmerz
– Antriebslosigkeit
– Ängstlichkeit, Depression
– Ausdauer/Belastbarkeit.

3.2 Rehabilitationsziele bezogen auf Aktivitäten 

Ziele sind die Abwendung, Beseitigung, Minderung, Verhütung der Verschlimmerung oder Milderung der Folgen einer Zunahme der Beeinträchtigungen der Aktivitäten, insbesondere in folgenden Bereichen

– Selbstorganisation (z.B. Planung und Durchführung der täglichen Routine, Treffen von Entscheidungen)
– Selbstversorgung (z.B. selbständiges Essen und Trinken, Benutzen der Toilette, An- und Ausziehen der Kleidung),
– allgemeine Aufgaben und Anforderungen (z.B. kontrollierter Umgang mit Stress und psychischen Anforderungen, Durchführung komplexer Handlungen, (Wieder-) Erlernen und Aneignen von Fertigkeiten) 
– Mobilität (z.B. körperliche Beweglichkeit, Aufrechterhalten und Änderung der Körperposition, Arm- und Handgebrauch, Fortbewegung (z.B. Gehen, Treppensteigen, Benutzen von Verkehrsmitteln), Heben und Tragen, Geschicklichkeit (z.B. manuelle Geschicklichkeit), Gleichgewichtskontrolle)
– Haushaltsführung (z.B. Einkaufen, Zubereiten von Mahlzeiten, Erledigung der Hausarbeiten)
– in der Kommunikation (z.B. Sprechen, Hören und Verstehen, Sehen und Erkennen, Schreiben und Lesen)
– im Verhalten (z.B. in der persönlichen Sicherheit, in alltäglichen Situationen, in der familiären oder beruflichen Beziehungsfähigkeit, in der Krankheitsverarbeitung).

3.3 Rehabilitationsziele bezogen auf Teilhabe

Ziele sind drohende oder bereits manifeste Beeinträchtigungen der Teilhabe abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, deren Zunahme zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, insbesondere in der

– Selbstversorgung
– Mobilität (z.B. Erweiterung des Aktionsradius über die Wohnung oder die nähere Umgebung hinaus)
– Beschäftigung (z.B. Verbesserung oder Wiedererlangung der Fähigkeit, einer üblichen Beschäftigung, Erwerbstätigkeit oder Freizeitaktivität nachzugehen)
– soziale Integration/Reintegration (z.B. Verbesserung oder Normalisierung des sozialen Verhaltens mit Beseitigung von Vereinsamung)
– ökonomische Eigenständigkeit (zur Sicherung des Lebensunterhaltes).

3.4 Rehabilitationsziele bezogen auf Kontextfaktoren

Art und Ausmaß der funktionalen Problematik 5) können durch Kontextfaktoren (Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren, vgl. Kap. 2.6) verstärkt oder vermindert werden, so dass diese bei der Bestimmung der Rehabilitationsziele zu berücksichtigen sind. Hierzu können u. a. Arbeitsplatzbegehungen, Wohnraumbesichtigungen und Gespräche mit dem Arbeitgeber bzw. den Bezugspersonen erforderlich sein, mit dem Ziel, die Umweltbedingungen an verbleibende Beeinträchtigungen der Aktivitäten des Rehabilitanden anzupassen (Adaptation). 

Die Möglichkeiten zur Vermeidung bzw. Verringerung negativ wirkender und zur Unterstützung positiv wirkender umwelt- und personbezogener Kontextfaktoren sind sowohl durch den Rehabilitanden selbst (z.B. Gewichtsreduktion, geeignetes Stressbewältigungstraining) als auch im Rahmen von Maßnahmen der Rehabilitationsträger (z.B. Maßnahmen der Arbeitsplatzanpassung, geeignete Anpassung der Wohnung, Ausstattung mit Mobilitätshilfen und technischen Hilfen) zuprüfen. Der Rehabilitand soll auch unterstützt werden, mit nicht veränderbaren Kontextfaktoren krankheits- und behinderungsgerecht umzugehen und insofern sinnvolle Bewältigungsstrategien für die Erkrankung zu finden. 

Jede Rehabilitationsmaßnahme hat auch das Ziel, somatische, psychische und soziale, Auswirkungen der neurologischen Erkrankung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Der Rehabilitand ist anzuleiten, mit Krankheitsauswirkungen zu leben (Coping) und negativ wirkenden Kontextfaktoren zu vermeiden, zu beseitigen bzw. deren Wirkungen zu vermindern und die positiv wirkenden zu unterstützen und ihren Einfluss bestmöglich nutzbar zu machen. Hierzu soll gemeinsam mit dem Rehabilitanden ein Programm erarbeitet werden.

Rehabilitationsziele in diesem Sinne sind z.B.

– die Verbesserung des Informationsstandes über die Krankheit
– die Entwicklung von Strategien zum Abbau von Risikoverhalten (z.B. Rauchen, Alkoholmissbrauch, Fehlernährung, Bewegungsmangel, körperliche und psychische Überforderung

_______________
5) Die funktionale Problematik kennzeichnet den aktuellen Status der funktionalen Befunde und Symptome
auf den Ebenen der Körperfunktionen und Körperstrukturen, der Aktivitäten und der Teilhabe.


4. Behandlungsfrequenz und Rehabilitationsdauer

Je nach Schweregrad der Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten sowie der Teilhabe und den sich daraus ergebenden Rehabilitationszielen gestalten sich die individuell erforderliche Rehabilitationsdauer und Therapiedichte. In der Regel ist eine Therapiezeit von täglich mindestens vier bis maximal sechs Stunden an fünf bis sechs Tagen in der Woche einzuhalten. Auf die
individuelle Belastbarkeit des Rehabilitanden ist dabei Rücksicht zu nehmen.

Unter dem Gesichtspunkt einer Flexibilisierung des zeitlichen Ablaufs der ambulanten neurologischen Rehabilitation bei gleichwertigem Rehabilitationsprogramm können die unterschiedlichen Rehabilitationskomponenten zum Erreichen des Rehabilitationszieles ggf. über einen längeren Zeitraum gestreckt erbracht werden.

5. Ausschlusskriterien

Ausschlusskriterien für die ambulante neurologische Rehabilitation sind:

– die allgemeinen Ausschlusskriterien (Ziffer 8 Allgemeiner Teil)
– der Rehabilitand ist noch der Phase C nach den Empfehlungen zur neurologischen Rehabilitation der BAR6) zuzuordnen
– ein Barthel-Index < 80.

Inkontinenz kann ein Ausschlusskriterium sein, wenn die Selbstversorgung in diesem Bereich nicht gegeben ist und dadurch ein erhöhter Pflegebedarf besteht.

_______________
6) Vgl. Empfehlungen zur Neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C, Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Frankfurt a. M., 1999.

 

6. Anforderungen an die ambulante Rehabilitationseinrichtung

6.1 Rehabilitationskonzept

Jede ambulante neurologische Rehabilitationseinrichtung erstellt ein strukturiertes Rehabilitationskonzept evtl. unter Berücksichtigung von Schwerpunkten, das die erforderliche rehabilitative Diagnostik und Behandlung sowie die personelle, räumliche und apparative Ausstattung der Einrichtung und Angaben zur voraussichtlichen Behandlungsdauer enthält.

6.2 Ärztliche Leitung und Verantwortung

Die ambulante neurologische Rehabilitationseinrichtung steht unter ständiger Leitung und Verantwortung

– eines (r) Neurologen/Neurologin7) (mind. 1 Jahr Weiterbildung in der Psychiatrie) oder Nervenarztes/Arztes für Neurologie und Psychiatrie mit mind. 3jähriger vollzeitiger Erfahrung in einer neurologischen Rehabilitationseinrichtung und der Zusatzbezeichnung Rehabilitationswesen oder Sozialmedizin oder Weiterbildung zum Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin.

Der Vertreter des Leiters der Einrichtung muss Arzt für Neurologie oder Nervenarzt/Arzt für Neurologie und Psychiatrie sein.

Der leitende Arzt oder sein benannter ständiger Vertreter müssen während der Öffnungszeiten der Einrichtung präsent und verfügbar sein. Ist die Rehabilitationseinrichtung an eine neurologische Gemeinschaftspraxis angebunden, muss eine räumliche und organisatorische Trennung gegeben sein.

Für die Betreuung außerhalb der Rehabilitation muss der weiterbehandelnde Arzt entsprechend informiert werden. Die während der ambulanten Rehabilitation gewonnenen medizinischen Daten müssen anderen behandelnden Ärzten bei Bedarf zugänglich sein.

_______________
7) Im Folgenden wird auf die weibliche Form der Berufsbezeichnung verzichtet.

6.3 Ärztliche Aufgaben

Der leitende Arzt ist für die Umsetzung eines ganzheitlichen und umfassenden Rehabilitationskonzepts, entsprechend den Zielen des jeweiligen Rehabilitationsträgers und bezogen auf den einzelnen Rehabilitanden verantwortlich. Dabei ist den o.g. Krankheitsdimensionen, den darauf bezogenen Rehabilitationszielen sowie der langfristigen Rehabilitationsprognose und den nach der Rehabilitation ggf. einzuleitenden Maßnahmen Rechnung zu tragen.

Zu den ärztlichen Aufgaben gehören

– Aufnahme-, Zwischen- und Abschlussuntersuchungen
– Durchführung bzw. Veranlassung und Auswertung der Rehabilitationsdiagnostik mit Konkretisierung des Behandlungsbedarfs
– Erstellung und Anpassung des Rehabilitationsplans
– Abstimmung des Rehabilitationsziels sowie des Rehabilitationsplans mit dem Rehabilitanden und dem Rehabilitationsteam
– Durchführung aller für die ambulante Rehabilitation erforderlichen ärztlich-therapeutischen Maßnahmen
– funktionelle Therapiemaßnahmen
– Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln
– Versorgung mit Hilfsmitteln
– Durchführung von Visiten in den Behandlungsräumen und Sprechstundenangebot für den Rehabilitanden
– Koordination, Anpassung und Verlaufskontrolle der Therapiemaßnahmen
– Leitung des Rehabilitationsteams und der Teambesprechungen (mind. einmal pro Woche)
– Information und Beratung des Rehabilitanden unter Einbeziehung der Bezugspersonen
– Erstellung des ärztlichen Entlassungsberichts mit sozialmedizinischer Beurteilung, Empfehlungen für die Weiterbehandlung unter Einbeziehung der Befundberichte des nicht- ärztlichen Rehabilitationsteams
– Kooperation mit vor- und nachbehandelnden Ärzten, Konsiliarärzten und Konsiliardiensten und den in der Nachsorge eingebundenen Diensten sowie Selbsthilfegruppen
– Qualitätssicherung und Sicherstellung der Dokumentation.

6.4 Rehabilitationsdiagnostik

Am Beginn, im Verlauf und am Ende der Rehabilitation ist die Rehabilitationsdiagnostik durchzuführen. Die Befunde der Vorfelddiagnostik sind zu berücksichtigen. Die Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten und drohende bzw.
manifeste Beeinträchtigungen der Teilhabe sowie die relevanten Kontextfaktoren sind zu beschreiben und zu bewerten; zeitnahe Befunde sind zu berücksichtigen. Die Untersuchung soll Auskunft geben u.a. über

– den rehabilitationsrelevanten klinischen Status
– Schädigungen, z.B. in den Bereichen

  • motorische Funktionen

  • sensorische und sensible Funktionen

  • mental/kognitive Funktionen

  • affektive und Willensfunktionen

  • Sprache und Sprechen

– Beeinträchtigungen der Aktivitäten, z.B. in den Bereichen

  • Alltagsfähigkeiten

  • Bewegung

  • Kommunikation

  • Verhalten (Umgang mit anderen)

– Beeinträchtigungen der Teilhabe, z.B.

  • im Alltag

  • im Beruf

– Kontextfaktoren und Krankheitsbewältigung.

Die Untersuchungsverfahren in freier, strukturierter oder standardisierter Form müssen geeignet sein, die körperlichen, mentalen, kognitiven und psychischen Störungen angemessen zu dokumentieren. Die Feststellung einschließlich der Dokumentation erfolgt durch klinische Untersuchung und Testverfahren bei Beginn, im Verlauf und am Ende der Rehabilitationsmaßnahme. Die Rehabilitationsdiagnostik wird vom Arzt und dem Rehabilitationsteam entsprechend der Aufgabenstellung erbracht; ggf. sind validierte Verfahren (Assessments) einzusetzen. Berücksichtigung finden muss hierbei die Bewertung der Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Beeinträchtigungen der Teilhabe durch den Rehabilitanden, ggf. durch die Angehörigen/Bezugspersonen. 

Die genannte Rehabilitationsdiagnostik kann bei Bedarf ergänzt werden durch spezielle neurophysiologische Methoden. Dazu zählen u.a. EEG, evozierte Potentiale, EMG, ENG. 

Wird eine diagnostische Klärung weiterer Erkrankungen notwendig, sind erforderlichenfalls entsprechende Fachärzte einzuschalten.

6.5 Rehabilitationsplan

Anhand der Ergebnisse der Rehabilitationsdiagnostik werden für jeden Rehabilitanden ein individueller Rehabilitationsplan erstellt und das individuelle Rehabilitationsziel bzw. -teilziel definiert.

Regelmäßige Besprechungen des neurologischen Rehabilitationsteams geben Auskunft über den Verlauf. Der Rehabilitationsplan ist dem Verlauf anzupassen. Änderungen im Bereich der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen sind in regelmäßigen Abständen unter Nutzung der relevanten Untersuchungsmethoden zu dokumentieren.

6.6 Behandlungselemente

Der ambulanten neurologischen Rehabilitation stehen zur Behandlung der Schädigungen und der daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Aktivitäten oder der Teilhabe ärztliche Leistungen, medikamentöse Therapie, Ernährungsberatung sowie folgende Therapieformen, die vom gesamten Rehabilitationsteam mit unterschiedlicher Schwerpunktbildung durchgeführt werden,
zur Verfügung.

Schädigungen auf Körperstruktur oder Körperfunktionsebene, z.B. Therapieformen 
der Sensomotorik  Physiotherapie
Ergotherapie
Funktionen, wie u.a.
– Stand- und Gangmotorik  Physiotherapie
– Hand- und Fingermotorik  Physiotherapie
Ergotherapie
– Kau-/Schluckmotorik  Sprachtherapie
Physiotherapie
Ergotherapie
der Kognition, wie u.a.
– Aufmerksamkeit 
– Gedächtnis 
– Planen-Handeln
Neuropsychologie
Ergotherapie
der in der Schule erworbenen Kulturfertigkeiten wie

– Lesen, Schreiben, Rechnen 


Sprachtherapie
Neuropsychologie
der Sprache/des Sprechens 
der Psyche 

– des Verhaltens 

Sprachtherapie
verhaltensmodifizierende Therapie
Beeinträchtigungen von weiteren 
Fähigkeiten bzw. Aktivitäten, z. B.
Therapieformen
in der Selbstversorgung im Alltagsleben  Ergotherapie (Hilfsmittelberatung und -schulung)
in der Fortbewegung in der näheren und weiteren Umgebung  Physiotherapie
Ergotherapie (Hilfsmittelberatung und -schulung)
in der Selbstorganisation unter Berücksichtigung der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, der Planungs- und Handlungsfähigkeit Ergotherapie
in der Haushaltsführung und bei Aktivitäten  Ergotherapie (Hilfsmittelberatung und -schulung)
in der physischen Ausdauer  Physiotherapie
Ergotherapie
(Sporttherapie)
in der Kommunikation  Sprachtherapie
Ergotherapie
im Verhalten / Krankheitsverarbeitung  (Neuro-) Psychologie
verhaltensmodifizierende Therapie
Beeinträchtigung in der Erfüllung einer sozialen Rolle Alle Therapieformen
Sozialarbeit/Sozialpädagogik
Belastungserprobung/Arbeitstherapie,
Beratung hinsichtlich sozialer u. beruflicher Fragestellungen

Die Förderung des Rehabilitanden durch aktivierende und rehabilitative Krankenpflege ist in allen Bereichen anzustreben. Bei Bedarf können die Verfahren der Neuropädagogik und Neurophonetik eingesetzt werden.

Im Bedarfsfalle sind Besuche vor Ort (Wohnung, Arbeitsplatz) durchzuführen. Die Angehörigen sind, soweit erforderlich, in die Rehabilitation einzubeziehen. Ggf. ist eine regelmäßige Einbeziehung einer Bezugsperson erforderlich.

Sollte sich während der Therapie zeigen, dass bestimmte Schädigungen nicht behandelbar sind, sollte eine Verbesserung der Fähigkeiten durch Kompensation, Erwerben von neuen Kenntnissen, Fertigkeiten und Verhaltensweisen angestrebt werden.

6.7 Aufgaben des Rehabilitationsteams

Die Umsetzung des ganzheitlichen umfassenden Rehabilitationskonzepts ist Aufgabe des gesamten Rehabilitationsteams, das sich aus den unter Ziffer 7 aufgeführten ärztlichen und nichtärztlichen Fachkräften zusammensetzt. Es finden regelmäßig Teambesprechungen statt. Die Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen erfolgen nach dem vom leitenden Arzt unter Mitwirkung des Rehabilitationsteams erstellten Rehabilitationsplan und werden dem Rehabilitationsverlauf nach Absprache angepasst. Wo möglich finden Beratungen oder Behandlungen in der Gruppe statt. 

Bei Bedarf sind Besuche vor Ort (Wohnung, Arbeitsplatz) durchzuführen. Die Angehörigen/Bezugspersonen sind, soweit für die Erreichung des Rehabilitationsziels erforderlich, in die Rehabilitation einzubeziehen.

7. Personelle Ausstattung

7.1 Rehabilitationsteam und Qualifikation

Die ambulante neurologische Rehabilitation erfordert ein interdisziplinäres Rehabilitationsteam, dessen Mitglieder über die nachstehend aufgeführte Qualifikation und Berufserfahrung 8) in der Regel verfügen müssen.

_________________
8) Bei Teilzeitkräften verlängert sich der Zeitraum der erforderlichen Berufserfahrung entsprechend.

Arzt

– Neurologe (mind. 1 Jahr Weiterbildung in der Psychiatrie) oder Nervenarzt/ Arzt für Neurologie und Psychiatrie mit zusätzlicher Qualifikation: 

  • Zusatzbezeichnung Rehabilitationswesen oder Sozialmedizin oder Weiterbildung zum Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin und
  • Erfahrung in interdisziplinärer Teamarbeit und mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung in einer neurologischen Rehabilitationseinrichtung.

Physiotherapeut / Krankengymnast

– Staatliche Anerkennung als Physiotherapeut/ Krankengymnast und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Physiotherapeut/Krankengymnast in der neurologischen Rehabilitation; wenn in hauptverantwortlicher Tätigkeit 3 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Physiotherapeut/Krankengymnast in einer Einrichtung der neurologischen Rehabilitation.

Masseur und Medizinischer Bademeister

– Staatliche Anerkennung als Masseur und Medizinischer Bademeister und
– anerkannte Weiterbildung in manueller Lymphdrainage und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Masseur und Medizinischer Bademeister in einer Rehabilitationseinrichtung.

Ergotherapeut

– Staatliche Anerkennung als Ergotherapeut und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Ergotherapeut in der neurologischen Rehabilitation; wenn in hauptverantwortlicher Tätigkeit 3 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Ergotherapeut in einer Einrichtung der neurologischen Rehabilitation und
– Grundlagenkenntnisse in arbeitsrehabilitativen Maßnahmen, Ergonomie, Beratung zur Belastungserrpobung und Arbeitstherapie, Arbeitsplatzanpassung.

Logopäde / Sprachtherapeut

– Staatliche Anerkennung als Logopäde und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Logopäde in der neurologischen Rehabilitation; wenn in hauptverantwortlicher Tätigkeit 3 Jahre vollzeitige Berufserfahrung in einer Einrichtung der neurologischen Rehabilitation.

Klinischer Psychologe / Klinischer Neuropsychologe

– Diplom als Psychologe und
– Anerkennung als klinischer Neuropsychologe durch Fachgesellschaften und
– Kenntnisse und Erfahrung im Bereich der klinischen Neuropsychologie durch

  • mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung im Bereich neurologischer Rehabilitation 
  • Kenntnisse und Erfahrung in psychologischer und neuropsychologischer Diagnostik und Psychotherapie

– Erfahrungen in Entspannungstechniken (z.B. Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson).

Die Aufgaben der klinischen Neuropsychologie können auch durch einen Arzt mit Weiterbildung in Neuropsychologie übernommen werden, wenn er eine Anerkennung durch eine Fachgesellschaft nachweisen kann und in der neurologischen Rehabilitation tätig war.

Sozialarbeiter / Sozialpädagoge

– Diplom/staatliche Anerkennung als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge im Bereich der Rehabilitation und
– Qualifikation/Berufserfahrung in Beratung/Gesprächsführung und
– Aus-, Fort- und Weiterbildung in Gesundheitsfürsorge.

Diätassistent

– Staatliche Anerkennung als Diätassistent und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung in Diät- und Ernährungsberatung.

Gesundheits- und Krankenpfleger

– Staatliche Anerkennung als Gesundheits- und Krankenpfleger und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Gesundheits- und Krankenpfleger in der neurologischen Rehabilitation; wenn in hauptverantwortlicher Tätigkeit 3 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Krankenpflegefachkraft in der neurologischen Rehabilitation und
– Erfahrung in der fachlichen Beratung, Anleitung und praktischen Unterstützung von medizinischen Laien (z.B. Angehörigen/Bezugspersonen)
– wünschenswert: Weiterbildung in Rehabilitationspflege.

Sportlehrer / Sporttherapeut (fakultativ)

– Diplom-Sportlehrer mit medizinischer Ausrichtung (z.B. Fachrichtung Rehabilitation) oder Zusatzqualifikation Bewegungs-/Sporttherapie und
– mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Sportlehrer/Sporttherapeut in einer neurologischen Rehabilitationseinrichtung.

Belastungserprobung und Arbeitstherapie sowie die qualifizierte Beratung hinsichtlich beruflicher Fragestellungen müssen durch die personelle Ausstattung sichergestellt sein.

Wenn im Einzelfall Kinder unter 16 Jahren in der Einrichtung behandelt werden, müssen die Therapeuten Erfahrung in der Behandlung von Kindern haben. Neuropädiatrische und neuropädagogische Mitbehandlung müssen gewährleistet sein.

7.2 Personalbemessung

Die personelle Ausstattung muss die Umsetzung des Rehabilitationskonzeptes ermöglichen.

Die Berechnung des Personalbedarfs einer Einrichtung richtet sich nach der Anzahl der Therapieplätze und den Angaben im Rehabilitationskonzept.

Das Rehabilitationskonzept sollte den erforderlichen Aufwand transparent machen. Notwendig sind daher Angaben

– zur Frequenz und dem zeitlichen Umfang aller therapeutischen Leistungen
– zum prozentualen Anteil an Einzeltherapien
– zur Gruppengröße
– zu den benötigten Rüstzeiten (Vor- und Nachbereiten von Therapieterminen)
– zum zeitlichen Aufwand für Teamkonferenzen
– zum zeitlichen Aufwand für ärztliche Aufgaben.

Für eine ambulante Rehabilitationseinrichtung mit 40 Rehabilitanden mit ganztägiger Rehabilitation wird folgender Personalschlüssel empfohlen:

Arzt 1 : 15 – 1 : 20
Gesundheits- und Krankenpfleger 1 : 12 – 1 : 14
Physiotherapeut/Krankengymnast 1 : 10 – 1 : 14
Ergotherapeut 1 : 10 – 1 : 14
Logopäde/Sprachtherapeut 1 : 20 – 1 : 30
Klinischer (Neuro) psychologe/ 1 : 20 – 1 : 30
Masseur u. Med. Bademeister 1 : 40 
Sozialarbeiter/Sozialpädagoge  1 : 80
Diätassistent 1 : 100

Zusätzlich sind Verwaltungsaufgaben, Laboranbindung sowie Urlaubs- und Krankheitsvertretung sicher zu stellen.

 

8. Räumliche Ausstattung

Die räumliche Ausstattung der ambulanten Rehabilitationseinrichtung muss die Umsetzung des Rehabilitationskonzeptes ermöglichen. 

Für die speziellen Gegebenheiten der ambulanten neurologischen Rehabilitation sind Räume mit ausreichender Grundfläche und sachgerechter Ausstattung vorzusehen, insbesondere

– Raum für ärztliche Untersuchung und fachärztliche rehabilitationsspezifische Funktionsdiagnostik
– Notfallzimmer
– Einzeltherapieräume
– Gruppentherapieräume, auch geeignet für Schulungen und Seminare
– Aufenthalts- und Ruheräume mit ausreichender Anzahl von Sitz- und Liegeplätzen
– Umkleideräume, Wasch- bzw. Duschplätze und WC, davon in ausreichender Anzahl mit barrierefreier Gestaltung sowie abschließbare Schrankfächer für jeden Rehabilitanden
– Rezeption
– Raum für Patientenaufnahme, Kartei/Archiv, Verwaltung und sonstige Infrastruktur
– Wartebereich mit ausreichender Sitzgelegenheit
– Abstellraum, Geräteraum
– Personalaufenthaltsraum
– Personalumkleideraum mit Dusche, WC und abschließbarem Schrankraum. 

Die Räume müssen barrierefrei zugängig sein.

Allen therapeutischen Professionen muss, außer der typischen Einrichtung und des berufsüblichen Arbeitsmaterials, die sich aus dem Rehabilitationskonzept ergebende räumliche und gerätetechnische Ausstattung zur Verfügung stehen.

 

9. Apparative Ausstattung

Die Geräte müssen in geeigneter Ausführung (sicherheitstechnische Standards, TÜV/S MedGV) vorhanden sein. Über die vorhandenen Geräte ist eine aktuelle Geräteliste zu führen. Je nach Schwerpunktbildung und indikationsbezogenen Rehabilitationskonzepten verändern sich die Anforderungen an die Art und Anzahl der Apparate.

Im Rehabilitationskonzept sind die für die einzelnen Funktionstherapien (z.B. Krankengymnastik, Logopädie/Sprachtherapie, Neuropsychologie, Ergotherapie) entsprechend verwendeten Untersuchungs-, Test- und Therapiemethoden einschließlich der hierfür technischen Ausstattung zu benennen.

Dazu zählen u.a.:

– Therapieliegen (für Krankengymnastik/Physiotherapie, Ergotherapie und physikalische Therapie nutzbar, bei Bedarf höhenverstellbar)

– Arbeitstische, adaptierbar

– Arbeitsstühle, adaptierbar

– Bodenmatten

– Sprossenwand

– Gehbarren

– Spiegel (körperhoch für Physiotherapie und Ergotherapie)

– Laken, Tücher, Lagerungskissen, Polster und Decken

– Geräte für Therapie und Diagnostik in der Physiotherapie: 

  • je nach Indikation Muskeltrainingsgeräte 
  • je nach Indikation Geräte zur Muskelkraftmessung 
  • passive Bewegungsgeräte mit Spastikschaltung 
  • Balance-/Gleichgewichtsgeräte (z.B. Kreisel, instabile Flächen)

– Thermotherapie- (Kryo-Wärmetherapie) Geräte

– Elektro- und Elektromechano-Therapiegeräte

– Geräte (z.B. Matten, Liegen, Stühle) für Entspannungsübungen oder für spastiksenkende Lagerung

– Diagnostik- und Therapiematerial für mental/kognitive, psychische und/oder cerebral bedingte Sprach- und Sprechstörungen (u.a. auch für computergestützte und apparative Diagnostik und Therapie)

– Werkzeug und Materialien für unterschiedliche funktionelle Therapien (z.B. für sensomotorische, mental/kognitive Therapie)

– Artikulationsspiegel

– Sehtrainingstherapiemöglichkeiten

– Spiele und Spielmaterial

– Material zur Herstellung von Schienenmaterial oder Hilfen für den Alltag

– Materialien für Alltags- und Haushaltstraining

– Werktische

– Videoaufzeichnungs- und Wiedergabemöglichkeit

– Dia-/Overheadprojektor

– Tonband/Kassettenrecorder.

 

10. Verlängerungskriterien

Unter dem Gesichtspunkt einer individualisierten und ergebnisorientierten Rehabilitation ist auch im ambulanten Bereich nach vorheriger Genehmigung durch den jeweiligen Leistungsträger in begründeten Fällen eine Verlängerung möglich bei

– Verzögerung im Erreichen des Rehabilitationsziels bei bestehender positiver Rehabilitationsprognose und gegebener Rehabilitationsfähigkeit (z.B. interkurrente Erkrankungen).

11. Beendigung der Maßnahme

Die ambulante neurologische Rehabilitation ist zu beenden, wenn sich erst während der Rehabilitationsmaßnahme die unter Ziffer 5 genannten Ausschlusskriterien zeigen, oder wenn das Rehabilitationsziel erreicht ist, oder die medizinischen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.