Primärprävention
5 Individueller Ansatz nach § 20 Abs. 1 SGB V

 

5.1 Einleitung

Präventionsangebote nach dem individuellen Ansatz richten sich an einzelne Versicherte. Sie sollen sie motivieren und befähigen, Möglichkeiten einer gesunden, Störungen und Erkrankungen vorbeugenden Lebensführung auszuschöpfen. Die Maßnahmen finden grundsätzlich in Gruppen statt und sollen die Teilnehmenden über die Laufzeit der Maßnahme hinaus zur regelmäßigen Ausübung positiver gesundheitsbezogener Verhaltensweisen anregen und qualifizieren 67 .

Zur Ermittlung der primärpräventiven Handlungsfelder im individuellen Ansatz wurden die vorhandenen Datenquellen daraufhin ausgewertet, mit welcher Häufigkeit, medizinischen Relevanz und volkswirtschaftlichen Bedeutung bestimmte Erkrankungen auftreten. Anschließend wurde geprüft, ob für die Prävention dieser Erkrankungen wirksame Interventionen zu angemessenen Kosten möglich sind und qualitätsgesichert erbracht werden können.

Die Auswertung der für eine entsprechende Bedarfsermittlung zur Verfügung stehenden Literatur 68 zeigt, dass folgende Krankheitsbilder von besonderer epidemiologischer Bedeutung sind:
• Herz-Kreislauferkrankungen (insbesondere Herzinfarkte, Schlaganfälle und Krankheiten des cerebro-vaskulären Systems),
• Diabetes mellitus, insbesondere Typ 2,
• Adipositas,
• bösartige Neubildungen,
• Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes,
• Krankheiten des Nervensystems und der Sinnesorgane sowie
• psychische/psychosomatische Krankheiten.

Das Ziel der präventiven Leistungen der Krankenkassen ist daher die Reduktion der Auftretenswahrscheinlichkeit dieser Erkrankungen durch Senkung der ihnen zugrunde liegenden Risikofaktoren.

Folgende primärpräventive Interventionen sind vorrangig für die verschiedenen Krankheitsbilder zu empfehlen:
• Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Vermeidung von Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck, Bewegungsmangel, übermäßigem Alkoholkonsum, Dysstress (vor allem in Bezug auf Herzinfarkte und Schlaganfälle)
• Diabetes mellitus Typ 2: Vermeidung des metabolischen Syndroms (gekennzeichnet durch eine Kombination aus Adipositas, Hyperlipoproteinämie, Hypertonie und erhöhten Blutzuckerwerten, die mit einer Insulinresistenz, Glukosetoleranzstörung bzw. einem manifesten Diabetes einhergeht) durch Förderung von Bewegung und ausgewogener Ernährung, Zurückdrängung der o. g. Risikofaktoren
• Bösartige Neubildungen: Förderung einer ballaststoffreichen, fettarmen Ernährung zur Vermeidung von Colon-Rektumkarzinomen und Förderung des Nichtrauchens zur Vermeidung von Lungenkarzinomen
• Krankheiten der Muskeln, des Skeletts und des Bindegewebes: Vermeidung von Übergewicht, Verhütung von Gelenkverletzungen, Kräftigung der Muskulatur (vor allem in Bezug auf Arthrosen und Dorsopathien)
• Depressionen und Angststörungen: Förderung individueller Kompetenzen der Belastungsverarbeitung zur Vermeidung von Dysstress Bewegungsmangel, Fehlernährung, Übergewicht und Adipositas, mangelnde Stressbewältigungsund Entspannungskompetenzen sowie Suchtmittelkonsum bilden wichtige Risikofaktoren für zahlreiche der o. g. Erkrankungen. Deshalb fokussieren die prioritären Handlungsfelder im individuellen Ansatz auch auf diese Risikofaktoren (s. hierzu Kapitel 5.6.1–5.6.4). Die Handlungsfelder sind dabei ziel- und indikationsbezogen in unterschiedliche Präventionsprinzipien gegliedert.

Zur Förderung von innovativen Ansätzen sind darüber hinaus Modelle zur Erprobung der Wirksamkeit weiterer Präventionsprinzipien möglich, in denen über eine begleitende Dokumentation und Evaluation die Wirkung des jeweiligen Prinzips überprüft wird.

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67 Evidenzbasierte Informationen für Versicherte zu Präventionsthemen hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erstellt: www.gesundheitsinformation.de.

68 Robert Koch-Institut (2013). Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt. Jg. 56. H. 5-6. Robert Koch-Institut (2006). Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin; Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (1998). Gesundheitsbericht für Deutschland, Wiesbaden; Leistungsstatistiken der GKV (z. B. Krankheitsartenstatistiken der Verbände der Krankenkassen); Gesundheitsberichte der Bundesländer und Statistiken anderer gesundheitsrelevanter Institutionen (z. B. des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, der Unfallversicherungsträger usw.); spezifische Analysen und Umfragen aus dem Gesundheitsbereich.

 

5.2 Grundverständnis

Ziel der primärpräventiven Maßnahmen ist es, den allgemeinen Gesundheitszustand der Versicherten zu verbessern und einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen zu erbringen. Primärpräventive Interventionen müssen neben der Vermeidung von Risikofaktoren auch gesundheitsfördern- de (= Ressourcen stärkende) Anteile enthalten 69 .


Abb . 4: Handlungsfelder und Präventionsprinzipien des individuellen Ansatzes

Bewegungsgewohnheiten

• Reduzierung von Bewegungsmangel durch gesundheitssportliche Aktivität
• Vorbeugung und Reduzierung spezieller gesundheitlicher Risiken durch geeignete verhaltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme

Ernährung

• Vermeidung von Mangel- und Fehlernährung
• Vermeidung­und­Reduktion­von­Übergewicht

Stressmanagement

• Förderung von Stressbewältigungskompetenzen
• Förderung von Entspannung

Suchtmittelkonsum

• Förderung des Nichtrauchens
• Gesundheitsgerechter Umgang mit Alkohol/Reduzierung des Alkoholkonsums


Nachhaltige Wirkung entfalten primärpräventive Interventionen nur dann, wenn die Versicherten die erlernten gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen regelmäßig und dauerhaft in ihren Lebensalltag integrieren. Die im Folgenden beschriebenen Maßnahmen sollen daher die Teilnehmenden zur regelmäßigen Ausübung positiver gesundheitsbezogener Verhaltensweisen anregen und befähigen.

Voraussetzung einer individuellen primärpräventiven Intervention ist grundsätzlich, dass sich die Wirksamkeit der Intervention in Studien oder Metaanalysen (Evidenzbasierung) erwiesen hat.

Eine weitere Voraussetzung für die individuelle primärpräventive Intervention ist eine konkrete Zielbestimmung der Maßnahme, die sich operationalisieren und quantifizieren lässt, sodass sich eine Veränderung bzw. Verbesserung in Bezug auf die Zielerreichung durch die erfolgte Intervention messen lässt. Wesentliche Zielkriterien sind dabei die nachhaltige Verringerung von gesundheitsriskanten und der Aufbau gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen.

Bei der konkreten Auswahl von Maßnahmen, deren Wirksamkeit prinzipiell erwiesen ist, sollte eine Fokussierung auf Zielgruppen erfolgen, bei denen der Bedarf am größten ist. Indikatoren für spezifische Zielgruppen können dabei neben den geläufigen Sozialindikatoren wie Einkommen, Bildung, Beruf, Lebensumfeld (Land, Stadt) und Wohnungssituation weitere allgemeine soziodemografische Faktoren wie Alter, Geschlecht, Familienstand oder spezifische Lebenszyklusphasen, Phasen nach kritischen Lebensereignissen, besondere Belastungen oder Risiken sein. Inhalte und Methodik der Intervention wie auch die Zugangswege sind speziell auf die Zielgruppen abzustellen.

Zur Erreichung der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen – insbesondere auch solcher aus sozial benachteiligten Familien – ist die Förderung von Settingmaßnahmen in Kindergärten/Kindertagesstätten (Kitas), Schulen und Kommunen nach Kapitel 4 einer Förderung nach dem individuellen Ansatz grundsätzlich vorzuziehen. Deshalb werden keine Kursangebote für Kinder unter sechs Jahren gefördert.

Die Maßnahmen können den Zielgruppen in einer Kommstruktur oder in einer Bringstruktur angeboten werden. Bei einer Kommstruktur werden Interessierte durch öffentliche Bekanntmachung auf die Maßnahme aufmerksam gemacht und eingeladen. Beispiele sind:
• allgemeine Öffentlichkeitsarbeit (Tagespresse, Plakate, Veranstaltungsprogramme),
• zielgruppenspezifische Medien (z. B. Versichertenzeitschriften für bestimmte Altersgruppen),
• Direkt-Mailingaktionen (z. B. für Schwangere, Eltern von Kindern bestimmter Altersgruppen etc.).

Bei einer Bringstruktur tragen die Krankenkassen oder die Anbieterinnen und Anbieter die Maßnahmen durch persönliche Ansprache aktiv an die Zielgruppe in deren Lebensumfeld (z. B. Einrichtungen für Seniorinnen und Senioren, Vereine im ländlichen Raum, z. B. Landfrauenverbände, Arbeitsagenturen, Beschäftigungs- und Qualifizierungseinrichtungen) heran. Dieses Vorgehen eignet sich insbesondere zur Erreichung sozial benachteiligter Zielgruppen. Maßnahmen mit Bringstruktur, die nicht von der Krankenkasse selbst angeboten werden, bedürfen immer einer vorherigen Einwilligung der zuständigen Krankenkassen; Doppelfinanzierungen sind auszuschließen.

Eine Mischform von Komm- und Bringstruktur ist die Ansprache durch Kooperationspartner, die von der Zielgruppe besonders frequentiert werden (z. B. Ärztinnen/Ärzte, Ämter, Kirchen, Kulturvereine und Stadtteilinitiativen, Vereine im ländlichen Raum).

Anbieterinnen und Anbieter primärpräventiver Maßnahmen nach § 20 SGB V haben diese deutlich gegenüber verordnungspflichtigen Leistungen für Versicherte (Krankenbehandlung und Rehabilitation) sowie weiteren Dienstleistungen, die nicht Bestandteil des GKV-Leistungskatalogs sind, abzugrenzen.

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69 Rosenbrock, R. (2004). Primäre Prävention zur Vermeidung von sozialbedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen – Problemskizze und ein Umsetzungsvorschlag des § 20 Abs. 1 SGB V durch die GKV; in: Ders., Bellwinkel, M., Schröer, A. (Hrsg.). Prävention im Kontext sozialer Ungleichheit. Wissenschaftliche Gutachten zum BKK-Programm ‚Mehr Gesundheit für alle‘. Essen, 7-150; hier: 62 f.

 

5.3 Handlungsfelder übergreifende Förderkriterien

Krankenkassen fördern Maßnahmen ausschließlich entsprechend den nachstehend definierten Handlungsfelder übergreifenden und Handlungsfeld spezifischen Kriterien. Die Kriterien sind verbindlich. Die Schwerpunkte der Förderung und weitere Anforderungen können die Krankenkassen innerhalb dieser Kriterien weitgehend selbst festlegen; sie müssen nicht das gesamte Spektrum abdecken 70 .

Für die in Kapitel 5.6.1 bis 5.6.4 beschriebenen Handlungsfelder und ihre Kriterien gilt Folgendes: Aus Gründen der Übersichtlichkeit sowie im Hinblick auf die praktische Umsetzung werden die einzelnen Handlungsfelder mit ihren Präventionsprinzipien getrennt dargestellt. Für eine erfolgreiche, ganzheitlich angelegte Primärprävention kann die Verknüpfung von Maßnahmen aus verschiedenen Handlungsfeldern sinnvoll sein. Dadurch wird auch dem Prinzip Rechnung getragen, nicht isoliert einzelne Krankheiten oder „Risikofaktoren“ in das Zentrum der präventiven Bemühung zu stellen, sondern auf den allgemeinen Gesundheitszustand abzuzielen.

Alle von den Krankenkassen geförderten Maßnahmen müssen hohen Qualitätsmaßstäben genügen. Zur Sicherstellung einer hohen Effektivität (Ergebnisqualität) sind die Leistungen von Anbieterinnen und Anbietern mit geeigneter fachlicher und pädagogischer Qualifikation (Strukturqualität), auf Basis erprobter und evaluierter Konzepte (Konzept- und Planungsqualität) und unter angemessenen organisatorischen Durchführungsbedingungen (Prozessqualität) zu erbringen. Insbesondere für sozial benachteiligte Zielgruppen sind die Maßnahmen möglichst niedrigschwellig zur Verfügung zu stellen.

Die Krankenkasse hat das Recht, die Einhaltung der Kriterien des GKV-Leitfadens in der geltenden Fassung auch vor Ort zu überprüfen. Doppelfinanzierungen von Maßnahmen sind auszuschließen.

Kriterien für die Strukturqualität (Anbieterqualifikation)

Für die Durchführung der Maßnahmen kommen unter Berücksichtigung der Ausführungen zu den einzelnen Präventionsprinzipien Anbieterinnen und Anbieter mit folgenden Voraussetzungen in Betracht:
• Grundqualifikation: Staatlich anerkannter Berufs- oder Studienabschluss im jeweiligen Fachgebiet (Handlungsfeld)
• Zusatzqualifikation: Spezifische, in der Fachwelt anerkannte Fortbildung 71
• Einweisung in das durchzuführende Programm (ist ggf. in der Grund- bzw. Zusatzqualifikation enthalten)

Ferner müssen Anbieterinnen und Anbieter über pädagogische, methodische und didaktische Kompetenzen sowie Berufserfahrung verfügen. Insbesondere bei Maßnahmen, die sich an sozial Benachteiligte richten, sollen zusätzlich sozialpädagogische Kompetenzen vorhanden sein.

Kriterien für die Konzept- und Planungsqualität

Förderfähig sind ausschließlich Konzepte, die folgende Voraussetzungen erfüllen:
• Konkrete Definition der adressierten Zielgruppe/n • Manual mit schriftlicher Fixierung von Aufbau und Zielen sowie von Inhalten und Methoden der Kurseinheiten
• Unterlagen für Teilnehmerinnen/Teilnehmer (Teilnahmeunterlagen)
• Wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit

Nachhaltige Wirkung entfalten Präventionsmaßnahmen nur dann, wenn die Versicherten die erlernten gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen regelmäßig und dauerhaft in ihren Lebensalltag integrieren. Die Sicherung der Nachhaltigkeit ist im Konzept besonders zu berücksichtigen (z. B. Übungen zur selbstständigen Durchführung nach Maßnahmeende, Nachbetreuung nach Abschluss der Maßnahme, Kontaktvermittlung zu selbst finanziert wahrgenommenen Präventionsangeboten).

Grundsätzlich können die Krankenkassen, ggf. mit Kooperationspartnern, evaluierte interaktive Selbstlernprogramme mit persönlicher, auf die individuelle Situation der Teilnehmenden abgestimmter Betreuung (z. B. expertenmoderiertes Forum per Telekommunikation, Internet, E-Mail) vorhalten. Dabei müssen alle Kriterien dieses Leitfadens (mit Ausnahme der Kriterien zu Gruppenberatung/maximale Teilnehmerzahl und Räumlichkeiten) erfüllt sein. Interaktive Selbstlernprogramme sollen den Teilnehmenden Möglichkeiten zum expertenmoderierten Austausch untereinander sowie bedarfsbezogen eine Nachbetreuung nach Abschluss der Maßnahme bieten.

Kriterien für die Prozessqualität

Für die Durchführung der Maßnahmen gelten folgende Kriterien:
• Gruppengröße: Zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und zur Motivationsstärkung der Teilnehmenden untereinander finden die Maßnah- men grundsätzlich in Gruppen angemessener Größe (maximal 15 Personen) statt.
• Zielgruppenhomogenität/Kontraindikationen:
Die Kursteilnehmer/innen gehören der ausgewiesenen Zielgruppe an; Kontraindikationen sind auszuschließen.
• Umfang/Frequenz: Die Maßnahmen umfassen grundsätzlich mindestens acht thematisch aufeinander aufbauende Einheiten von jeweils mindestens 45 Minuten Dauer, in der Regel im wöchentlichen Rhythmus. Sie sollen zwölf Einheiten à 90 Minuten Dauer nicht überschreiten. Bei Handlungsfelder übergreifenden Maßnahmen muss die Intervention zum primären Handlungsfeld mindestens acht Einheiten à 45 Minuten mit thematisch aufeinander aufbauenden Einheiten umfassen.
• Räumlichkeiten: Die Räumlichkeiten sind der Maßnahme und Gruppengröße angemessen.

Krankenkassen können im Ausnahmefall für besondere Zielgruppen, die nicht regelmäßig an mehrwöchigen Kursen teilnehmen können, die Maßnahmen auch als Kompaktangebote, verteilt auf mindestens zwei Tage, bei gleichem Gesamtumfang fördern. Kompaktangebote können wohnortnah oder wohnortfern durchgeführt werden. Zielgruppen für Kompaktangebote sind insbesondere berufstätige Versicherte mit Arbeitszeiten, die eine Regelmäßigkeit nicht zulassen, sowie Versicherte mit hoher zeitlicher Beanspruchung, z. B. pflegende Angehörige und Alleinerziehende. Für Kompaktangebote gelten alle hier und in den Kapiteln 5.6.1–5.6.4 beschriebenen Kriterien uneingeschränkt.

Bei wohnortfernen Kompaktangeboten beteiligen sich die Krankenkassen ausschließlich an den Kosten der Präventionskurse selbst, nicht an denen für Unterkunft, Verpflegung, Kurtaxe und andere Leistungen; diese Kosten sind von den Kosten der Maßnahme getrennt transparent auszuweisen. Kompaktkurse müssen immer vorab bei der Krankenkasse beantragt und vor Kursteilnahme von dieser genehmigt sein.

Jegliche Quersubventionierung von Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Kurtaxe und andere Leistungen ist unzulässig und wird von den Krankenkassen nicht finanziert 72 . Die Krankenkassen sind berechtigt, die Einhaltung der Kriterien des GKV-Leitfadens in der geltenden Fassung – auch vor Ort – zu überprüfen. Eine Prüfung muss für die Krankenkassen mit einem vertretbaren Aufwand möglich sein.

Kriterien für die Ergebnisqualität

Die den geförderten Maßnahmen zugrunde liegenden Programme müssen ihre prinzipielle Wirksamkeit bereits vorab wissenschaftlich nachgewiesen haben (s. Kriterien für die Konzeptqualität). Für eine kontinuierliche Qualitätssicherung und -verbesserung im Routinebetrieb ist eine begleitende stichprobenartige Evaluation sinnvoll. Hierzu stehen den Krankenkassen erprobte Instrumente und Verfahren zur Verfügung 73 . Anbieterinnen und Anbieter müssen sich bereit erklären, sich an von Krankenkassen und ihren Verbänden initiierten oder durchgeführten Evaluationsmaßnahmen zu beteiligen.

Kriterien für eine erleichterte Inanspruchnahme durch sozial benachteiligte Zielgruppen

Um sozial benachteiligten Personen – insbesondere Empfängerinnen und Empfängern von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld I und II und Grundsicherung – die Nutzung von Präventionsmaßnahmen des individuellen Ansatzes zu erleichtern, sollen die Krankenkassen für diesen Personenkreis nach vorheriger Prüfung und Genehmigung der Maßnahme die Kosten ganz oder teilweise direkt übernehmen (Vermeidung eines Eigenanteils und/ oder von Vorleistungen der Versicherten). Hierzu sind regionale und/oder landesweite Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und geeigneten Trägern (z. B. Träger der Grundsicherung/der Einrichtung) möglichst kassenartenübergreifend notwendig. In diesen Vereinbarungen sind auch die Modalitäten der Kostenübernahme zu regeln (z. B. Befreiung der Zielgruppe von Vorleistungen, Ausschluss von Doppelfinanzierungen). Krankenkasseneigene Angebote, die sich speziell an sozial benachteiligte Personengruppen richten, sollen über geeignete Zugangswege an diese Zielgruppen herangetragen werden.

Kriterien für die Breitenwirksamkeit und Nachhaltigkeit

Krankenkassen fördern ausschließlich zeitlich befristete Maßnahmen (s. Kriterien für die Prozessqualität). Eine kontinuierliche Inanspruchnahme von Maßnahmen (Dauerangebote) kann von den Krankenkassen nicht finanziert werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Maßnahmen sollen befähigt und motiviert werden, nach Abschluss der Intervention das erworbene Wissen bzw. die erworbenen Fertigkeiten/Übungen selbstständig anzuwenden und fortzuführen sowie in ihren (beruflichen) Alltag zu integrieren. Krankenkassen und Anbieterinnen/Anbieter weisen daher die Versicherten/Teilnehmenden auf ergänzende Angebote, z. B. von Sportvereinen, Volkshochschulen, hin, die in Eigenverantwortung wahrgenommen werden können.

Zur Erhöhung der Breitenwirksamkeit der verfügbaren finanziellen Mittel ist ferner die Förderung durch die Krankenkassen auf maximal zwei Kurse pro Versichertem und Kalenderjahr begrenzt.

Die Übernahme bzw. Bezuschussung von Mitgliedschaftsbeiträgen in Sportvereinen, Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen sowie die Gewährung finanzieller Anreize nach § 20 SGB V hierzu ist nicht zulässig. Gleiches gilt für die Verrechnung von aktuellen, früheren oder zukünftigen Mitgliedsbeiträgen mit Kursgebühren.

Kriterien für die Einbindung der Eltern/der Bezugsperson bei Maßnahmen für Kinder

Bei Kursen, die sich an Kinder von sechs bis in der Regel zwölf Jahren richten, müssen Eltern/ ein Elternteil/eine Bezugsperson über die Ziele und Inhalte der Maßnahmen, über die eigene Vorbildfunktion sowie darüber, wie die Inhalte in den Alltag der Familie integriert werden können, informiert und geschult werden. Sie sind mit wenigstens zwei Terminen aktiv in das Programm (zu Beginn und zum Ende hin) einzubinden.

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70 Engelmann, K. & R. Schlegel (Hrsg.). Juris PraxisKommentar SGB V – Gesetzliche Krankenversicherung – Saarbrücken. 2012 2 . Kommentar zu § 20 SGB V (Schütze). S. 325 (Randziffer 44). Noftz, W. (Hrsg.). Sozialgesetzbuch (SGB) V Kommentar. Berlin. Erg. Lfg. 6/09. 20 SGB V. Rz. 5 (Kommentar zu § 20 SGB V. S. 4. Rz. 5, Verfasser: Gerlach).

71 Diese kann ggf. in der Grundqualifikation enthalten sein. Dies ist durch aussagefähige Unterlagen nachzuweisen.

72 Unrealistisch niedrige Preise für Unterkunft und Verpflegung können ein Indiz für Quersubventionierung sein.

73 Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen (2008). Gemeinsame und einheitliche Evaluationsverfahren zu § 20 SGB V der Spitzenverbände der Krankenkassen. Bergisch Gladbach; Handbücher und Instrumente zum Download: www.gkv-spitzenverband.de; Versorgungsbereiche der GKV, Prävention.

 

5.4 Ausschlusskriterien

Nicht förder- bzw. bezuschussungsfähig sind Maßnahmen, die
• von Anbietern durchgeführt werden, welche ein wirtschaftliches Interesse am Verkauf von Begleitprodukten (z. B. Diäten, Nahrungsergänzungs- oder homöopathische Mittel, Sportgeräte) besitzen,
• nicht weltanschaulich neutral sind,
• an eine bestehende oder zukünftige Mitgliedschaft gebunden sind,
• sich an Kinder unter sechs Jahren richten,
• auf Dauer angelegt sind.

5.5 Kriterienprüfung

Vor der Entscheidung über eine Förderung bzw. Bezuschussung prüfen die Krankenkassen die Einhaltung der Qualitätskriterien dieses Leitfadens 74 . Sind diese nicht erfüllt, darf die Maßnahme nicht zulasten der Krankenkasse durchgeführt werden. Zur Prüfung stehen den Krankenkassen gemeinsame und einheitliche Materialien und Instrumente zur Verfügung 75 .

Der Anhang des Leitfadens (Kapitel 7) enthält ein Musterformular für einen Antrag auf Bezuschussung der Versicherten/des Versicherten mit der vom Anbieter/von der Anbieterin auszufüllenden Teilnahmebescheinigung und der Verpflichtungserklärung der Anbieterin/des Anbieters.

Notw endige Angaben auf diesem Formular sind:

vonseiten der Versicherten/des Versicherten:
• Name, Vorname, Geburtsdatum, Krankenversicherungsnummer, Bankverbindung
• Bestätigung der Teilnahme an der vom Anbieter bezeichneten Maßnahme
• Bestätigung, dass der vom Anbieter genannte Kursleiter die Maßnahme persönlich durchgeführt hat
• Bestätigung, dass keine Verrechnung bzw. Erstattung der Teilnahmegebühr durch den Anbieter erfolgt
• Kenntnisnahme, dass ein zu Unrecht erhaltener Zuschuss zurückzuzahlen ist
• Persönliche Unterschrift des Versicherten

vonseiten des Anbieters:
• Bestätigung der Teilnahme des Versicherten mit Titel, Zeitraum, Anzahl und Dauer der Einheiten der besuchten Maßnahme
• Zuordnung der Maßnahme zu einem Präventionsprinzip
• Name des Kursleiters/der Kursleiterin mit Angaben zur Qualifikation und Zusatzqualifikation
• Erklärung der persönlichen Durchführung durch die Kursleitung
• Höhe der entrichteten Teilnahmegebühr,
• Erklärung, dass die Maßnahme von der Krankenkasse als förderfähig anerkannt und nach den Kriterien des GKV-Leitfadens umgesetzt wurde
• Erklärung, der Steuerpflicht und der Pflicht zur Abführung von Beiträgen zur Sozialversicherung zu entsprechen
• Bestätigung, dass keine Verrechnung bzw. Erstattung der Teilnahmegebühr erfolgt und die Teilnahme nicht an die Bedingung einer Mitgliedschaft geknüpft ist
• Erklärung, dass die Teilnahmegebühr ausschließlich der Bezahlung des Präventionsangebots dient (keine Quersubventionierung)
• Erklärung, dass die gemachten Angaben der Wahrheit entsprechen
• Kenntnisnahme des Rechts der Krankenkassen zur unangemeldeten Prüfung der Einhaltung der Bestimmungen des GKV-Leitfadens vor Ort
• Kenntnisnahme möglicher rechtlicher Folgen von Verstößen gegen den GKV-Leitfaden Prävention


„Sofern ich als Anbieter/in die mir nach dem GKV-Leitfaden Prävention obliegenden Pflichten nicht erfülle und/oder entgegen dessen Bestimmungen handle, kann von der betroffenen Krankenkasse Abhilfe und/oder Unterlassung verlangt werden. Hierfür setzt die Krankenkasse eine angemessene Frist. Bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen kann die betroffene Krankenkasse nach erfolgter Anhörung eine angemessene Strafzahlung bis zu 5.000 EURO festsetzen. Unabhängig davon ist der entstandene Schaden zu ersetzen. Ich verpflichte mich, den Versicherten/die Versicherte insoweit freizustellen und zu Unrecht erhaltene Beträge direkt an die betroffene Krankenkasse zurückzuführen. Schwerwiegende oder wiederholte Verstöße rechtfertigen ferner den Ausschluss von weiterer Förderung der von mir angebotenen individuellen Maßnahmen. Schwerwiegende Verstöße gegen den GKV- Leitfaden Prävention sind insbesondere:
• Nichterfüllung organisatorischer, sächlicher, fachlicher und/oder personeller Voraussetzungen;
• Abrechnung nicht erbrachter Leistungen;
• Nicht fristgerechte Beseitigung von Beanstandungen.“


• Persönliche Unterschrift des Anbieters

Falsche Angaben auf der Teilnahmebescheinigung im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine Förderung können zu Rückforderungen der gezahlten Beträge und zum Ausschluss aller von dem entsprechenden Anbieter durchgeführten Maßnahmen von weiterer Förderung führen. Sie können weitere rechtliche Schritte nach sich ziehen. Näheres regeln die Krankenkassen vor Ort.

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74 Im Interesse der Verwaltungseffizienz und der einheitlichen Anwendung des Leitfadens Prävention hat die Mehrzahl der Krankenkassen die Zentrale Prüfstelle Prävention mit der Prüfung von Angeboten des individuellen Ansatzes einschließlich der Qualifikation von Anbieterinnen/von Anbietern auf Übereinstimmung mit den Kriterien dieses Leitfadens beauftragt (www.zentrale-pruefstelle-praevention.de).

75 GKV-Spitzenverband unter Beteiligung von AOK-Bundesverband, BKK Bundesverband, Gemeinsame Vertretung der Innungskrankenkassen e. V., Knappschaft, Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, Verband der Ersatzkassen e. V. und Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (Hrsg.) (2010). Materialien zum Qualitätsmanagement in der Primärprävention und betrieblichen Gesundheitsförderung gemäß §§ 20 und 20a SGB V.; Download: www.gkv-spitzenverband.de-> Krankenversicherung -> Prävention, Selbsthilfe, Beratung -> Prävention und betriebliche Gesundheitsförderung -> Qualitätsmanagement.

 

5.6 Handlungsfelder

 

5.6.1 Bewegungsgewohnheiten

Es ist unstrittig, dass Bewegungsmangel einerseits einen zentralen Risikofaktor für die Gesundheit darstellt und körperlich-sportliche Aktivitäten andererseits zu den zentralen Faktoren der Erhal- tung sowie der Wiederherstellung der physischen und der psychosozialen Gesundheit gehören 76 . Allerdings stellt sich Gesundheit bei körperlich- sportlichen Aktivitäten nicht „automatisch“ ein: Gesundheitseffekte sind vielmehr abhängig von den Qualitäten der Aktivitäten bzw. von den Qualitäten der Interventionen. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen sowie die richtige Dosierung der Belastung. Ferner erfordert eine nachhaltige Sicherung von Gesundheitseffekten – insbesondere für die große Gruppe der langfristig bewegungsabstinenten Menschen – Interventio- nen auf den Ebenen des Verhaltens und der Verhältnisse. Gesundheitssport kann auf diese Weise als bedeutendes Element einer allgemeinen Gesundheitsförderung aufgefasst werden, mit der gleichermaßen Gesundheits-, Verhaltens-, und Verhältniswirkungen angestrebt werden. In der ersten Phase der Intervention sind dabei Verhaltens- und Verhältniswirkungen prioritär gegenüber Gesundheitswirkungen (im engeren Sinne). Ziel dieser Phase ist es, eine Bindung an gesundheitssportliche Aktivität aufzubauen, da nur so langfristig wirksame Gesundheitseffekte dieser Aktivitäten erreichbar sind. Unter gesund- heitlichen Aspekten ideal sind Trainingsinhalte, die regelmäßig und mit moderater Intensität die Fitnessfaktoren Ausdauer, Kraft, Dehnfähig- keit/Beweglichkeit, Koordinationsfähigkeit und Entspannungsfähigkeit sowie die psychosozialen Faktoren (positives emotionales Erleben) adres- sieren 77 .

Präventionsprinzip: Reduzierung von Bewegungsmangel durch gesundheitssportliche Aktivität

Bedarf:
Legt man – wie von der WHO empfohlen – eine Minimalbeanspruchung durch körperlich- sportliche Aktivität von ca. zweieinhalb Stunden wöchentlich mit mäßig anstrengender Intensität zugrunde, so wird diese hierzulande derzeit nur von maximal 10-20 % der erwachsenen Bevölkerung erreicht 78 . Die negativen Folgen sind für die Lebensqualität, für die Volksgesundheit sowie für die Ökonomie gravierend. Bewegungsmangel ist ein zentraler Risikofaktor für die Entstehung insbesondere von Herz-Kreislauf- sowie MuskelSkelett-Erkrankungen. Körperliche Inaktivität mit ihren Folgen wurde demzufolge bereits als das zentrale Gesundheitsproblem des dritten Jahrtausends bezeichnet 79 .

Wirksamkeit:
Große Bevölkerungsstudien belegen, dass ein zusätzlicher Energieverbrauch durch körperlich-sportliche Aktivität von etwa 1.000 kcal pro Woche insbesondere das koronare Erkrankungsrisiko stark reduziert, aber auch präventiv wirksam ist bei allgemeinen bewegungsmangelbedingten (körperlichen und psychosomatischen) Beschwerden. Bewegung, die zielgerichtet, regelmäßig, mit moderater Intensität und einem Mindestumfang von etwa zwei Stunden pro Woche durchgeführt wird, stellt gesichert einen zentralen Schutzfaktor der Gesundheit dar 80 . Mit Blick auf den demografischen Wandel gewinnt der Zusammenhang zwischen regelmäßiger körperlicher Aktivität und der Aufrechterhaltung der geistigen Leistungsfähigkeit 81 zudem zunehmend an Bedeutung.

Zielgruppe:
Gesunde – auch ältere – Versicherte mit Bewegungsmangel, Bewegungseinsteiger und -wiedereinsteiger, jeweils ohne behandlungsbedürftige Erkrankungen

Ziel der Maßnahme:
Zur Erzielung von Gesundheits-, Verhaltens- und Verhältniswirkungen und der zu erlangenden Handlungskompetenz und Eigenverantwortung sind sechs Kernziele anzusteuern 82 :
• Kernziel 1: Stärkung physischer Gesundheitsressourcen (insbesondere die Faktoren gesundheitsbezogene Fitness, Ausdauer, Kraft, Dehnfähigkeit, Koordinationsfähigkeit, Entspannungsfähigkeit)
• Kernziel 2: Stärkung psychosozialer Gesundheitsressourcen (insbesondere Handlungs- und Effektwissen, Selbstwirksamkeit, Stimmung, Körperkonzept, soziale Kompetenz und Einbindung)
• Kernziel 3: Verminderung von Risikofaktoren (insbesondere solche des Herz-Kreislauf-Systems sowie des Muskel-Skelett-Systems)
• Kernziel 4: Bewältigung von psychosomatischen Beschwerden und Missbefindenszuständen
• Kernziel 5: Aufbau von Bindung an gesundheitssportliche Aktivität
• Kernziel 6: Verbesserung der Bewegungsverhältnisse (u. a. durch den Aufbau kooperativer Netzwerke beim Zugang zu einer gesundheitssportlichen Aktivität und bei deren Weiterführung) 83

Bezogen auf die Zielgruppe ist der Aufbau von Bindung an regelmäßige gesundheitssportliche Aktivität (Kernziel 5) von zentraler Bedeutung.

Inhalt:
Zur Realisierung der sechs Kernziele sollten folgende Inhalte Bestandteile der Programme sein und sich mit ausformulierten Bausteinen im Kursleitermanual wiederfinden:
• Module zur Verbesserung der physischen Ressourcen Ausdauer, Kraft, Dehnfähigkeit, Koordinationsfähigkeit, mit Hinweisen zur Belastungsdosierung und Belastungsanpassung, zur korrekten Ausführung von Aufgabenstellungen und Übungen, zur motivierenden Durchführung der Module (z. B. Einsatz von Musik, Herstellung positiver sozialer Kontexte, Kursleiterverhalten)
• Lockerungsübungen im Rahmen der genannten Module zur Förderung der physischen Ressourcen sowie ein Modul zur Verbesserung der Entspannungsfähigkeit
• Aufbau von Handlungs- und Effektwissen zur gesundheitsförderlichen Wirkung von Bewegung und Entspannung insbesondere der durchgeführten Aufgaben zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Fitness (z. B. Belastungsdosierung, korrekte Ausführung der Übungen)
• Vermittlung von Körpererfahrung und positiven Bewegungserlebnissen in der Gruppe,
• Maßnahmen zur Unterstützung der Integration des Gelernten in das Alltagsleben nach Interventionsende
• Kontinuierliche Information und Anleitung zu gesundheitsförderlichen Bewegungsabläufen im Alltag, vermehrter regelmäßiger Bewegung im Alltag (z. B. Treppensteigen, Radfahren) Anregungen für eine ergonomische und gesundheitsförderliche Arbeitsplatzgestaltung sowie zur Vermeidung von einseitig belasten- den Situationen in Beruf und Alltag
• Unterstützung der Weiterführung gesundheitssportlicher Aktivitäten z. B. in Sportvereinen oder Fitnessstudios

Maßnahmen, die sich vorrangig auf bestimmte Organe oder Systeme beziehen, sind immer dem Präventionsprinzip „Vorbeugung und Reduzierung spezieller gesundheitlicher Risiken durch geeignete verhaltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme“ zuzuordnen.

Ausschlusskriterien für eine Förderfähigkeit

Angebote, die sich nicht explizit und inhaltlich erkennbar auf die sechs Kernziele des Gesundheitssports beziehen, können nicht gefördert werden. Ausgeschlossen sind:
• Angebote des allgemeinen Freizeit- und Breitensports,
• Maßnahmen, die vorwiegend dem Erlernen einer Sportart dienen,
• Maßnahmen, die einseitige körperliche Belastungen beinhalten,
• reine oder überwiegend gerätegestützte Angebote,
• Angebote, die an die Nutzung von Geräten bestimmter Firmen gebunden sind,
• Dauerangebote.

Der Zugang zu den Bewegungsmöglichkeiten, die in der Folge des Bewegungsprogramms ausgeübt werden sollen, muss niedrigschwellig möglich sein (z. B. im Hinblick auf Ausstattungsbedarf und Kosten), um eine kontinuierliche Ausübung sowie Erreichbarkeit zu ermöglichen.

Methodik:
• Verhaltensorientierte Gruppenberatung mit praktischem Training zum Kennenlernen und Einüben des neuen Bewegungsverhaltens
• Informationen über die Zielgruppe, insbesondere zu den Folgewirkungen des Risikofaktors Bewegungsmangel sowie zu Barrieren der Zielgruppe, regelmäßige körperliche Aktivität aufzunehmen und beizubehalten
• Eingehen auf die spezifische Situation der Zielgruppe, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Barrieren, regelmäßige gesundheitssportliche Aktivität aufzunehmen und beizubehalten (u. a. zielgruppenangemessene Belastungsvorgaben)
• Verbindung von praktischer Erfahrung mit Kenntnisvermittlung (bzw. Information)
• Verbindung von körperlicher Beanspruchung mit positivem emotionalen Erleben (z. B. durch Rhythmisierung, durch Einsatz von Geräten und Materialien, durch Gruppenaufgaben)
• Verbindungen herstellen zwischen einer problemzentrierten Bewältigung gesundheitlicher Probleme und einer emotionszentrierten Bewältigung
• Vermittlung von Strategien zur Bindung an körperliche Aktivität (z. B. Handlungsplanung, Barrierenmanagement)
• Vernetzung des Angebots einerseits zur Erleichterung eines Einstiegs (z. B. mit Ärztinnen/Ärzten), andererseits zur Unterstützung des Übergangs in Folgeangebote (z. B. durch Kooperation mit Sportvereinen)

Anbieterqualifikation:
Zur Durchführung entsprechender Maßnahmen kommen Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss im Bereich Bewegung in Betracht, insbesondere:
• Sportwissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Staatsexamen, Magister, Master, Bachelor),
• Krankengymnast/in, Physiotherapeut/in,
• Sport- und Gymnastiklehrer/in,
• Ärztin/Arzt,
sofern sie im Rahmen einer Schulung in das durchzuführende Gesundheitssportprogramm speziell eingewiesen sind.
• Lizenzierte Übungsleiter/innen der Turn- und Sportverbände mit der Ausbildung „Sport in der Prävention“ (Lizenzstufe II), die in das durchzuführende Gesundheitssportprogramm speziell eingewiesen sind. Der Einsatz der Übungsleiter/innen ist auf Angebote der Turn- und Sportvereine beschränkt, die mit dem Qualitätssiegel SPORT PRO GESUNDHEIT ausgezeichnet wurden. Weiterhin muss das Präventionsangebot alle hier und in Kapitel 5.3 genannten übergreifenden Förderkriterien erfüllen.

Präventionsprinzip: Vorbeugung und Reduzierung spezieller gesundheitlicher Risiken durch geeignete verhaltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme

Bedarf:
Einen hohen Stellenwert in den Statistiken der Krankheitsarten nehmen insbesondere folgende Problembereiche bzw. Krankheitsbilder ein, denen primärpräventiv vorgebeugt werden kann:
• Probleme im Bereich des Muskel-Skelett- Systems, insbesondere Rückenbeschwerden, Arthrosen, Osteoporose, Inkontinenz sowie Störungen der Motorik (Sturzrisiko, Gangunsicherheiten)
• Probleme im metabolischen Bereich, insbesondere anormale Werte des Blutzuckers, des Blutdrucks, der Lipidparameter, des Gewichts
• Probleme im Bereich des Herz-Kreislauf- Systems sowie des respiratorischen Systems, insbesondere Einschränkungen im Hinblick auf die Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit sowie die Atmungs- und Lungenfunktionsgrößen
• Probleme im psychischen und psychosomatischen Bereich, z. B. Depressivität, Muskelverspannungen, psychovegetative Probleme, allgemeines psychisches Missbefinden

Wirksamkeit:
Insgesamt zeigen die vorliegenden Studien eine hohe Evidenz der gesundheitlichen Wirksam- keit körperlicher Aktivitäten 84 . Von besonderer Bedeutung ist eine an den Zielgruppen und ihren Gefährdungen ausgerichtete Intervention (z. B. Frauen vor einsetzender Menopause zur Prävention von Osteoporose, Ältere zur Prävention sturzbedingter Verletzungen).

Zielgruppe:
Versicherte mit speziellen Risiken im Bereich des Muskel-Skelett-Systems, im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems und des metabolischen Bereichs, im psychosomatischen Bereich und im Bereich der motorischen Kontrolle, jeweils ohne behandlungsbedürftige Erkrankungen

Ziel der Maßnahme:
Wie beim Präventionsprinzip „Reduzierung von Bewegungsmangel durch gesundheitssportliche Aktivität“ sind auch hier die Maßnahmen an den sechs Kernzielen von Gesundheitssport auszurichten, wobei zielgruppenspezifische Betonungen einzelner Kernziele notwendig sind.

Inhalt:
Die folgenden Inhalte beziehen sich wie beim Präventionsprinzip „Reduzierung von Bewegungsmangel durch gesundheitssportliche Aktivität“ grundsätzlich auf die sechs Kernziele von Gesundheitssport. Im Hinblick auf die Prävention der unter „Bedarf“ genannten Krankheitsarten gilt es, die Inhalte jeweils auf die spezifischen Problembereiche zu beziehen und dabei u. a. spezielle Ressourcen zu betonen (z. B. die Ausdauer bei Problemen im Bereich des Herz-Kreislauf- Systems), indikationsbezogene Inhalte deutlich zu machen (z. B. Zusammenhang zwischen Bewegung und Ernährung bei Problemen im metabolischen Bereich) oder problemzentrierte Bewältigungsstrategien zu spezifizieren (z. B. Schmerzbewältigung bei Problemen im Bereich des Muskel-Skelett-Systems). Als spezifische Angebote für ältere Versicherte kommen insbesondere Trainings zur Sturzprävention in Betracht, da hier vor allem Frakturen vermieden werden können 85 .

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen sollten folgende Inhalte Bestandteile der Programme sein und sich mit ausformulierten Bausteinen im Kursleitermanual wiederfinden:
• Module zur Verbesserung der physischen Ressourcen Ausdauer, Kraft, Dehnfähigkeit, Koordinationsfähigkeit unter Berücksichtigung zielgruppengemäßer Schwerpunktsetzungen, mit Hinweisen zur indikationsspezifischen Belastungsdosierung und Belastungsanpassung, zur korrekten Ausführung von Aufgabenstellungen und Übungen, zur motivierenden Durchführung der Module (z. B. Einsatz von Musik, Herstellung positiver sozialer Kontexte, Kursleiterverhalten)
• Lockerungsübungen im Rahmen der genannten Module zur Förderung physischer Ressourcen sowie ein Modul zur Verbesserung der Entspannungsfähigkeit
• Aufbau von Handlungs- und Effektwissen zur Wirkung der körperlichen Aktivitäten bei der problemzentrierten Bewältigung spezifischer Gesundheitsprobleme
• Aufbau von Handlungs- und Effektwissen zur Durchführung der Aktivitäten (z. B. indikations bezogene Belastungsdosierung, korrekte Ausführung der Übungen)
• Vermittlung von Körpererfahrung und positiven Bewegungserlebnissen in der Gruppe • Maßnahmen zur Unterstützung der Integration des Gelernten in das Alltagsleben nach Interventionsende
• Kontinuierliche Information und Anleitung zu gesundheitsförderlichen Bewegungsabläufen im Alltag, vermehrter regelmäßiger Bewegung im Alltag (z. B. Treppensteigen, Radfahren)
• Anregungen für eine ergonomische und gesundheitsförderliche Arbeitsplatzgestaltung sowie zur Vermeidung von einseitig belastenden Situationen in Beruf und Alltag
• Unterstützung der Weiterführung gesundheitssportlicher Aktivitäten z. B. in Sportvereinen

Ausschlusskriterien für eine Förderfähigkeit

Angebote, die sich nicht explizit und inhaltlich erkennbar auf die sechs Kernziele des Gesundheitssports beziehen, können nicht gefördert werden. Ausgeschlossen sind:
• Angebote des allgemeinen Freizeit- und Breitensports,
• Maßnahmen die vorwiegend dem Erlernen einer Sportart dienen,
• Maßnahmen, die einseitige körperliche Belastungen beinhalten,
• reine oder überwiegend gerätegestützte Angebote,
• Angebote, die an die Nutzung von Geräten bestimmter Firmen gebunden sind sowie
• Dauerangebote.

Der Zugang zu den Bewegungsmöglichkeiten, die in der Folge des Bewegungsprogramms ausgeübt werden sollen, muss niedrigschwellig möglich sein (z. B. im Hinblick auf Ausstattungsbedarf und Kosten), um eine kontinuierliche Ausübung sowie Erreichbarkeit zu ermöglichen.

Methodik:
• Verhaltensorientierte Gruppenberatung mit praktischem Training zum Kennenlernen und Einüben des neuen Bewegungsverhaltens
• Informationen über die Zielgruppe, insbesondere zu den speziellen Gesundheitsproblemen und Risiken der Zielgruppe (differenziert nach den jeweils spezifischen Problemen im Hinblick auf den Bereich des Muskel-Skelett-Systems, den Bereich des Herz-Kreislauf-Systems und den metabolischen Bereich sowie den psychosomatischen Bereich); Informationen zu Barrieren der Zielgruppe, regelmäßige körperliche Aktivität aufzunehmen und beizubehalten,
• Eingehen auf die spezifische Situation der Zielgruppe, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Barrieren, regelmäßige gesundheitssportliche Aktivität aufzunehmen und beizubehalten (u. a. zielgruppenangemessene Belastungsvorgaben)
• Verbindung von praktischer Erfahrung mit Kenntnisvermittlung (Handlungs- und Effektwissen unter Berücksichtigung des speziellen Problembereichs)
• Verbindung von körperlicher Beanspruchung mit positivem emotionalen Erleben (z. B. durch Rhythmisierung, durch Einsatz von Geräten und Materialien, durch Gruppenaufgaben)
• Zielgruppenangemessene Belastungsvorgaben, insbesondere unter Berücksichtigung vorhandener Risikofaktoren, des jeweiligen gesundheitlichen Problembereichs, von Barrieren und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen
• Vermittlung von Strategien zur Bindung an körperliche Aktivität (z. B. Handlungsplanung, Barrierenmanagement)
• Vernetzung des Angebots einerseits zur Erleichterung eines Einstiegs (z. B. mit Ärzten), andererseits zur Unterstützung des Übergangs in Folgeangebote (z. B. durch Angebote im institutionellen Rahmen von Sportvereinen)

Anbieterqualifikation:
Zur Durchführung entsprechender Maßnahmen kommen Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss im Bereich Bewegung in Betracht, insbesondere:
• Sportwissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Staatsexamen, Magister, Master, Bachelor),
• Krankengymnast/in, Physiotherapeut/in,
• Sport- und Gymnastiklehrer/in,
• Ärztin/Arzt mit Zusatzqualifikation einer anerkannten Insti- tution für den jeweiligen Problembereich (z. B. Lizenz zur Durchführung der Rückenschule 86 , vergleichbar in anderen Indikationsbereichen) und Einweisung in das durchzuführende Bewe- gungsprogramm 87 .
Zur Durchführung von Maßnahmen für Personen mit speziellen Risiken im Bereich des Muskel-Skelett-Systems kommen ferner Ergotherapeutinnen/ Ergotherapeuten sowie Masseurinnen/Masseure jeweils mit einer Zusatzqualifikation für diesen Bereich bei einer anerkannten Institution sowie einer Einweisung in das durchzuführende Gesundheitssportprogramm in Betracht.

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76 Insbesondere zeigt eine Vielzahl von epidemiologischen Studien eine starke Evidenz für Zusammenhänge zwischen körperlich-sportlicher Aktivität und positiven Gesundheitswirkungen. Vgl. u. a. Bös, K. & Brehm, W. (2006). Gesundheitssport – Ein Handbuch. Schorndorf. Hänsel F. (2007). Körperliche Aktivität und Gesundheit. In: Fuchs, R., Göhner, W., Seelig, H. (Hrsg.) (2007). Aufbau eines körperlich-aktiven Lebensstils. Göttingen. 23-44. Moore, S.C. et al. (2012). Leisure Time Physical Activity of Moderate to Vigorous Intensity and Mortality: A Large Pooled Cohort Analysis. PLoS Medicine 9 (11). www.plosmedicine.org. doi:10.1371/journal.pmed.1001335.

77 Brehm, W. et al. (2013). Sport als Mittel in Prävention, Rehabilitation und Gesundheitsförderung – Eine Expertise. Bundesgesundheitsblatt. Jg. 56. S. 1385–1389. Online unter: DOI 10.1007/s00103-013-1798-y.

78 Krug, S. et al. (2013). Körperliche Aktivität – Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt Jg. 56. S. 765-771. Online unter: DOI 10.1007/s00103-012-1661-6.

79 Blair, S.N. (2000). Physical Inactivity: The major Public Health problem of the next millennium. In: J. Avela, P.V., Komi & J. Komulainen (Eds.). Proceedings, 5th Annual Congress of the European College of Sport Science, Jyväskylä, 8.

80 Für eine Zusammenstellung der epidemiologisch-gesundheitswissenschaftlichen Befunde zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Sport und Bewegung vgl. Knoll, M., Banzer, W. & Bös, K. (2006 2 ). Aktivität und physische Gesundheit. In: Bös, K. & Brehm, W. (Hrsg.). Handbuch Gesundheitssport. Schorndorf: 82-102. Bouchard, C. (2001). Physical activity, and health: introduction to the dose-response symposium. Medicine & Science in Sports & Exercise, 33, 6, 347-350.

81 Angevaren, M., Aufdemkampe, G., Verhaar, H.J.J., Aleman, A., Vanhees, L. (2008). Physical activity and enhanced fitness to improve cognitive function in older people without known cognitive impairment. Cochrane Database of Systematic Reviews, Issue 3. Spirduso, W.W., Poon, L.W., Chodzko-Zajko, W. (Hrsg.). (2008). Exercise and its mediating effects on cognition. Champaign, IL: Human Kinetics. Hollmann, W., Strüder, H. (2003). Gehirngesundheit, -leistungsfähigkeit und körperliche Aktivität. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 54(9): 265-266.

82 Zur Begründung der Ziele und deren Umsetzung vgl. u. a. American College of Sports Medicine (2000). Guidelines for Exercise Testing and Prescription. Philadelphia etc.; Brehm, W., Bös, K., Opper, E. & Saam, J. (2002). Gesundheitssportprogramme in Deutschland. Analysen und Hilfen zum Qualitätsmanagement für Sportverbände, Sportvereine und andere Anbieter von Gesundheitssport. Schorndorf; Brehm, W., Pahmaier, I., Tiemann, M., Ungerer-Röhrich, U. & Bös, K. (2002). Psychosoziale Ressourcen – Stärkung von psychosozialen Ressourcen im Gesundheitssport. Deutscher Turnerbund. Frankfurt.

83 Tiemann, M., Brehm, W. & Sygusch, R. (2002). Flächendeckende Institutionalisierung evaluierter Gesundheitssportprogramme. In: Walter, U., Drupp, M. & Schwartz, F.W. (Hrsg.) (2002). Prävention durch Krankenkassen. Weinheim: 226-238. (vgl. auch weitere Beiträge in diesem Band).

84 Dickhuth, H-H. (2000). Einführung in die Sport- und Leistungsmedizin. Schorndorf; Linton, S.J. & van Tulder, M.W. (2001). Preventive Interventions for Back and Neck Pain Problems? Spine, 26, 7, 778-787; Pandolf, K.B. (ed.): Dose-response issues concerning physical activity and health: an evidence based symposium. Med Sci Sports Exerc 33(2001) Suppl., 345-641; Samitz, G. & Baron R. Epidemiologie der körperlichen Aktivität. In: Samitz G., Mensink G. (Hrsg.) (2002). Körperliche Aktivität in Prävention und Therapie. München; Vuori, I. (2001). Dose-response of physical activity and low back pain, osteoarthritis, and osteoporosis. Med. Sci. Sports Exerc., 33, 551-586. Gillespie, L.D., Robertson, M.C., Gillespie, W.J., Lamb, S.E., Gates, S., Cumming, R.G., Rowe, B.H. (2009). Interventions for preventing falls in older people living in the community. Cochrane Database Syst Rev. Apr. 15;(2):CD007146.

85 Vgl. Becker, C., Blessing-Kapelke, U. im Auftrag der Bundesinitiative Sturzprävention (2011). Empfehlungspapier für das körperliche Training zur Sturzprävention bei älteren, zu Hause lebenden Menschen; Z Gerontol Geriat 44 (2011) 121-128.

86 Entsprechend den Inhalten des Curriculums der Konföderation der deutschen Rückenschulen (KddR) zur Weiterbildung Rückenschullehrer/in (www.kddr.de).

87 Für Kursangebote zur Sturzprävention kommen ferner lizenzierte Übungsleiterinnen/Übungsleiter der Turn- und Sportverbände mit der Ausbildung „Sport in der Prävention“ (Lizenzstufe II) sowie Fortbildung zur Sturzprävention und Einweisung in das durchzuführende Sturzpräventionsprogramm in Betracht. Der Einsatz der Übungsleiterinnen/Übungsleiter ist auf Sturzpräventionsangebote der Turn- und Sportvereine beschränkt, die mit dem Qualitätssiegel SPORT PRO GESUNDHEIT ausgezeichnet wurden. Weiterhin muss das Präventionsangebot alle hier und in Kapitel 5.3 genannten übergreifenden Kriterien erfüllen.

 

5.6.2 Ernährung

Der Ernährung kommt eine zentrale Rolle sowohl für den Erhalt der Gesundheit als auch bei der Entstehung bestimmter Erkrankungen zu. Nach Angaben des Ernährungsberichts 2004 sind über zwei Drittel aller Todesfälle auf Erkrankungen zurückzuführen, bei denen die Ernährung als alleinige Ursache oder als einer von mehreren Faktoren an der Krankheitsentstehung beteiligt ist 88 . Aufgrund der großen Bedeutung des Ernährungsverhaltens für die Entstehung dieser Erkrankungen stellt die Förderung einer gesundheitsgerechten Ernährung ein zentrales Handlungsfeld der Krankenkassen in der primären Prävention dar.

Das Ernährungsverhalten ist auch von strukturellen Voraussetzungen (z. B. der Verfügbarkeit eines qualitativ hochwertigen Lebensmittelangebots) abhängig. Um die Ernährungssituation in Deutschland nachhaltig zu verbessern, sind neben den in diesem Kapitel beschriebenen verhaltenspräventiven Ernährungsangeboten daher auch weitere, insbesondere verhältnispräventive Maßnahmen (z. B. in Bezug auf das Lebensmittelangebot und die Lebensmittelkennzeichnung) erforderlich, die nicht in die Zuständigkeit der GKV fallen.

Präventionsprinzip:
Vermeidung von Mangel- und Fehlernährung

Bedarf:
Für viele chronische Krankheiten wurde eine Abhängigkeit von der Ernährung festgestellt. Zu diesen zählen insbesondere Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems, einige bösartige Neubildungen, Krankheiten des Verdauungssystems sowie endokrine Erkrankungen und Stoffwechselkrankheiten (darunter mit wachsender epidemiologischer Bedeutung Diabetes mellitus Typ 2) 89 . Zusätzlich werden Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten sowie Mangelerkrankungen als durch die Ernährungsweise beeinflussbar angesehen 90 .

Auf Grundlage der Nationalen Verzehrstudie II 91 ist die Ernährungssituation der Bevölkerung weiterhin als unbefriedigend einzustufen in Bezug auf:
• Höhe und Qualität der Fettzufuhr,
• Höhe und Qualität der Kohlenhydratzufuhr (zu hoher Zuckerverzehr, zu geringe Aufnahme an Ballaststoffen),
• Höhe der Natriumzufuhr (zu hoher Kochsalzverzehr bei Männern),
• Versorgung mit Calcium und Jod,
• Versorgung mit Folat und Eisen, insbesondere bei Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten,
• ausreichende Flüssigkeitszufuhr mit energiefreien/-armen Getränken.

Insgesamt werden in Deutschland zu viele Lebensmittel tierischen Ursprungs wie Fleischerzeugnisse und Wurst und zu wenige pflanzliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse verzehrt 92 . Zur Verbesserung der Ernährungssituation sind Verhaltensänderungen in der Bevölkerung in Richtung einer fleisch-, fett-, zucker- und salzärmeren, gleichzeitig aber vitamin-, mineralstoff- sowie ballaststoffreicheren Ernährungsweise erforderlich. Eine Ernährungsweise mit geringer Energiedichte und hoher Nährstoffdichte sollte angestrebt werden.

Wirksamkeit:
Vorhandene Studien belegen, dass eine bedarfsgerechte und ausgewogene Ernährungsweise wirksam zur Verhütung zahlreicher Erkrankungen beitragen kann 93 .

Ziel der Maßnahme:
• Stärkung der Motivation und Handlungskompetenz zu einer eigenverantwortlichen und nachhaltigen Umstellung auf eine individuell bedarfsgerechte Ernährung nach den jeweils aktuellen lebensmittelbezogenen Empfehlungen 94 und DGE-Beratungsstandards 95 bzw. den Empfehlungen des Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE) 96
• Motivation zu vermehrter Bewegung im Alltag

Zielgruppe:
• Versicherte mit ernährungsbezogenem Fehlverhalten ohne behandlungsbedürftige Erkrankungen des Stoffwechsels oder psychische (Ess-)Störungen

Inhalt:
Trainings-/Schulungsmodule
• Zur Förderung eines bedarfsgerechten, gesundheitsfördernden Ernährungsverhaltens • Zur Verhaltensmodifikation durch Training der flexiblen Verhaltenskontrolle
• Zur Motivation zu vermehrter Bewegung im Alltag
• Zum Einüben des verbesserten Koch- und Einkaufsverhaltens unter Einbeziehung des sozialen Umfelds und Berücksichtigung der Alltagssituation

Ausschlusskriterien für eine Förderfähigkeit:
• Produktwerbung und Produktverkauf,
• Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln Formula-Diäten und weiteren Produkten
• Spezielle Messungen von Stoffwechselparametern, genetische Analysen oder Allergietests
• Reine Koch- und Backkurse

Methodik:
• Verhaltensorientierte Beratung, in der Regel in Gruppen
• Praktische Übungen, z. B. zum Essverhalten

Anbieterqualifikationen:
Zur Durchführung entsprechender Maßnahmen kommen Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss im Bereich Ernährung in Betracht, insbesondere:
• Diätassistent/in,
• Oecotrophologin/Oecotrophologe (ernährungswissenschaftliche Ausrichtung; Abschlüsse: Diplom, Master, Bachelor),
• Ernährungswissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Master, Bachelor),
• Ernährungs- und Hygienetechnik, Schwerpunkt „Ernährungstechnik“, Ernährung und Versorgungsmanagement, Schwerpunkt „Ernährung“ (Abschlüsse: Dipl.-Ing., Master, Bachelor) mit themenbezogener Zusatzqualifikation gemäß z. B. den Qualitätsstandards der Ernährungsberatung 97 einer anerkannten Institution im Handlungsfeld 98 sowie
• Ärztin/Arzt mit Fortbildungsnachweis gemäß dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin 99 .

Präventionsprinzip: Vermeidung und Reduktion von Übergewicht

Bedarf:
Nach den Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1: N=7.116, Erhebungszeitraum 2008-2011) sind 67,1 % der Männer und 53,0 % der Frauen übergewichtig oder adipös (43,8 % der Männer und 29,0 % der Frauen haben einen Body-Mass-Index [BMI] von 25-29,9, 23,3 % der Männer und 23,9 % der Frauen haben einen BMI≥30) 100 . Der Anteil übergewichtiger Kinder und Jugendlicher (3-17 Jahre) betrug gemäß den Daten des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys im Durchschnitt der Jahre 2003-2006 (N=17.641) 15,0 %, 6,3 % aller Kinder und Jugendlichen waren adipös. Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen waren nicht zu erkennen 101 .

Der Anteil von Personen mit Normalgewicht (BMI 18,5-24,9) hat von 1999 bis 2009 erheblich abgenommen, der Anteil von Personen mit Übergewicht bis BMI 29,9 ist weitgehend konstant geblieben, während der Anteil adipöser Personen deutlich zugenommen hat. Auch bei Kindern und Jugendlichen wurde in den letzten 20 Jahren ein Anstieg der Adipositasprävalenz beobachtet. Durch Übergewicht und Adipositas erhöht sich das Risiko für zahlreiche Krankheiten, insbesondere des Herz-Kreislauf-Systems, des Stoffwechsels, des Muskel- und Skelett-Systems sowie für bestimmte Krebserkrankungen 102 . Für das Erkrankungsrisiko spielt zusätzlich zum Übergewicht als solchem auch das Fettverteilungsmuster eine wichtige Rolle. Eine überhöhte viszerale Fettmasse (Taillenumfang ≥102 cm bei Männern und ≥88 cm bei Frauen) erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich 103 .

Wirksamkeit:
Maßnahmen, die sowohl Module zu einem bedarfsgerechten, gesundheitsfördernden Ernährungsverhalten als auch zu körperlicher Bewegung beinhalten, können eine nachhaltige Senkung des Körpergewichts bewirken 104 . Empfohlen werden spezifische Methoden der Verhaltensmodifikation 105 . Bei Kindern und Jugendlichen hängt die langfristige Effektivität von Maßnahmen zur Stabilisierung bzw. Senkung des Körpergewichts auch davon ab, dass die Eltern der Kinder in die Durchführung einbezogen werden 106

Zielgruppe:
Erwachsene:
• Personen mit einem BMI ≥25 bis < 30 (BMI ≥30 bis < 35 nur nach ärztlicher Rücksprache) ohne behandlungsbedürftige Erkrankungen des Stoffwechsels oder psychische (Ess-) Störungen.

Kinder und Jugendliche:
• Übergewichtige Kinder und Jugendliche im Alter von 8-18 Jahren im Bereich der 90. bis 97. Perzentile der Häufigkeitsverteilung der alters- und geschlechtsspezifischen BMI-Werte 107 unter Einbeziehung der Familie und des sozialen Umfelds

Ausschlusskriterien für eine Teilnahme:
• Sekundäre und syndromale Adipositasformen,
• Psychiatrische Grunderkrankung/Essstörung
• Bei Kindern und Jugendlichen außerdem: mangelnde Bereitschaft der Eltern, eine kontinuierliche Teilnahme zu unterstützen

Ziel der Maßnahme:
Erwachsene:
• Gesundheitsförderndes Ernährungs- und Bewegungsverhalten
• Angemessene Gewichtsreduktion und -stabilisierung

Kinder und Jugendliche:
• Gesundheitsförderndes Ernährungs- und Bewegungsverhalten
• Konstanthaltung des Körpergewichts bei gleichzeitigem Längenwachstum (ggf. Gewichtsreduktion)
• Vermeidung von Adipositas assoziierten Erkrankungen
• Verbesserung des Körperbewusstseins, des Selbstbewusstseins und des Selbstwertgefühls

Inhalt:
Trainings-/Schulungsmodule
• Zu Ursachen des Übergewichts,
• Zur Förderung eines bedarfsgerechten, gesundheitsfördernden Ernährungsverhaltens [Ziel: ausgewogene Energiebilanz durch fettmoderate, kohlenhydratbetonte (Stärke, nicht Zucker) und ballaststoffreiche Kost nach den jeweils aktuellen Empfehlungen und Beratungs-Standards der DGE bzw. der optimierten Mischkost des FKE],
• Zum Erkennen und Verändern situationsabhängigen Essverhaltens,
• Zur flexiblen Verhaltenskontrolle,
• Zur Motivation und Anleitung zu vermehrter Alltagsbewegung und ggf. sportlicher Aktivität sowie Reduzierung von Inaktivität (z. B. Fernsehen, Computernutzung),
• Zum Einüben des verbesserten Koch- und Einkaufsverhaltens (u. a. Reflexion von Werbestrategien und eigenem Konsumverhalten) unter Einbeziehung des sozialen Umfelds und Berücksichtigung der Alltagssituation,
• Zur Vermeidung des „Jo-Jo-Effektes“,
• Bei Kindern und Jugendlichen außerdem:
Förderung eines verbesserten Körpergefühls und Selbstbewusstseins; Einbeziehung der Eltern; möglichst Kombination von Ernährung und Bewegung.

Ausschlusskriterien für eine Förderfähigkeit:
• Produktwerbung und Produktverkauf,
• Einsatz von Medikamenten zur Gewichtsabnahme, Formula-Diäten (Nahrungsersatz- oder -ergänzungsmittel) sowie extrem kalorienreduzierter Kost,
• Spezielle Messungen von Stoffwechselparametern, genetische Analysen oder Allergietests,
• Reine Koch- und Backkurse.

Methodik:
• Verhaltensorientierte Beratung, in der Regel in Gruppen,
• Praktische Übungen, z. B. zum Ess- und Bewegungsverhalten.

Anbieterqualifikation:
Zur Durchführung entsprechender Maßnahmen kommen Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss im Bereich Ernährung in Betracht, insbesondere:
• Diätassistent/in,
• Oecotrophologin/Oecotrophologe (ernährungswissenschaftliche Ausrichtung; Abschlüsse: Diplom, Master, Bachelor),
• Ernährungswissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Master, Bachelor), • Ernährungs- und Hygienetechnik, Schwerpunkt „Ernährungstechnik“, Ernährung und Versorgungsmanagement, Schwerpunkt „Ernährung“ (Abschlüsse: Dipl.-Ing., Master, Bachelor) mit themenbezogener Zusatzqualifikation gemäß z. B. den Qualitätsstandards der Ernährungsberatung 108 einer anerkannten Institution im Handlungsfeld 109 sowie
• Ärztin/Arzt mit Fortbildungsnachweis gemäß dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin 110 .
Werden Präventionskurse zur Vermeidung und Reduktion von Übergewicht in Kombination mit Bewegungs- und/oder Entspannungs-/Stressbewältigungskursen angeboten, gelten für diese Kursbestandteile die Anforderungen der jeweiligen Handlungsfelder dieses Leitfadens.

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88 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) e. V. im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (Hrsg.). Ernährungsbericht 2004. Bonn. S. 94 und 96.

89 89 Ebd., S. 95.

90 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (Hrsg.) (2013). DGE-Beratungs-Standards. 10. vollständ. überarb. Auflage, Bonn.

91 2005-2007, N=19.329 Jugendliche und Erwachsene zwischen 14 und 80 Jahren.

92 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.). 12. Ernährungsbericht 2012. Bonn. S. 19-85, insbesondere S. 82-84.

93 Willett, W.C. & Stampfer, M.J. (2013). Current Evidence on Healthy Eating. Annu Rev Public Health Jg. 34. S. 77-95. Online unter: doi: 10.1146/annurevpublhealth-031811-124646. Von Ruesten, A., Feller, S., Bergmann, M.M. & Boeing, H. (2013): Diet and Risk of Chronic Diseases: Results from the First 8 Years of Follow-Up in the EPIC-Potsdam Study. Eur J of Clin Nutr Jg. 67. S. 412–419 Online unter: doi: 10.1038/ejcn.2013.7.

94 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (Hrsg.) (2013). Vollwertig essen und trinken nach den 10 Regeln der DGE. 9. Auflage. Bonn. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (Hrsg.) (2013). Dreidimensionale Lebensmittelpyramide – Fachinformation. 45. Auflage, Bonn.

95 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (Hrsg.) (2013). DGE-Beratungs-Standards. 10. vollst. überarb. Auflage, Bonn.

96 Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund (2013). Empfehlungen für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen. Die optimierte Mischkost optimix. 10. Auflage. Dortmund (http://www.fke-do.de).

97 Koordinierungskreis zur Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung und Ernährungsbildung (2014). Rahmenvereinbarung zur Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung und Ernährungsbildung in Deutschland in der Fassung vom 16.06.2014. S. 8 (Internet: http://www.dge.de/pdf/fb/14-06-16-KoKreis-EB-RV.pdf).

98 Entsprechend den themenbezogenen Inhalten eines der folgenden Curricula: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE): Ernährungsberater/DGE, Ernährungsmedizinischer Berater/DGE (www.dge.de); Verband der Diätassistenten – Deutscher Bundesverband e. V. (VDD): VDD-Fortbildungszertifikat (www.vdd.de); Verband der Oecotrophologen e. V. (VDOE): Zertifikat Ernährungsberater VDOE (www.vdoe.de); Verband für Ernährung und Diätetik e. V. (VFED): VFED-Zertifizierung (www.vfed.de); Institut für Qualitätssicherung in der Ernährungstherapie und Ernährungsberatung e. V. (QUETHEB): QUETHEB-Registrierung (www.quetheb.de); Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung e. V. (UGB): Ernährungsberater UGB (www.ugb.de).

99 Bundesärztekammer & Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (2007). Strukturierte curriculare Fortbildung „ERNÄHRUNGSMEDIZIN“. Lehr- und Lerninhalte für die Fortbildungskurse zur Ernährungsmedizin nach den Richtlinien der Bundesärztekammer. 2. Aufl. (www.baek.de).

100 Mensink, G.B.M., Schienkiewitz, A., Haftenberger, M. & Lampert, T. (2013). Übergewicht und Adipositas in Deutschland – Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt. Jg. 56. S. 786-794 (Online unter: DOI 10.1007/s00103-012-1656-3).

101 Kurth, B.-M., Schaffrath Rosario, A. (2007). Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. In: Bundesgesundheitsblatt. Jg. 50. S. 736-743 (Online unter: DOI 10.1007/s00103-007-0235-5).

102 Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) e. V., Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG), Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. und Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) e. V. (Hrsg.) (2014). Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie der Adipositas“. Version 2.0. S. 17 ff (www.awmf.org).

103 Ebd. S. 15.

104 Ebd. Ferner u. a.: Schacky, v. C. (2008). Primary prevention of cardiovascular disease – how to promote healthy eating habits in population? J Public Health Jg. 16. S. 13-20.

105 Goldapp, C., Mann, R. & Shaw, R. (2005). Qualitätsraster für Präventionsmaßnahmen für übergewichtige und adipöse Kinder und Jugendliche. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Qualitätskriterien für Programme zur Prävention und Therapie von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. Reihe Gesundheitsförderung konkret Bd. 4, Köln, S. 18-19.

106 Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (Hrsg.) (2009). S3 Leitlinie. Therapie der Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Version 2009 (in Überarbeitung). S. 57 f. (www.awmf.org -> Leitlinien).

107 Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes. und Jugendalter (Hrsg.) (2013). Konsensbasierte (S2) Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter. S. 25 f. (www.awmf.org -> Leitlinien): Bei Kindern und Jugendlichen lässt sich das Ausmaß des Übergewichts nicht durch feste BMI-Grenzwerte bestimmen. Die Einstufung von Kindern und Jugendlichen als übergewichtig bzw. adipös erfolgt auf der Grundlage von Verteilungen der alters- und geschlechtsspezifischen BMI-Werte, die in bevölkerungsbezogenen Untersuchungen ermittelt wurden (Referenzwerte). Kinder und Jugendliche werden als übergewichtig eingestuft, wenn ihr BMI höher liegt als bei 90 % der Kinder/der Jugendlichen gleichen Alters und Geschlechts (oberhalb der 90. Perzentile P 90). Als adipös werden sie eingestuft, wenn ihr BMI höher ist als bei 97 % der Kinder/Jugendlichen gleichen Alters und Geschlechts (oberhalb der 97. Perzentile P 97); Die derzeit geltenden Referenzwerte sind den Tabellen 1 (für Mädchen) und 2 (für Jungen) in Kapitel 7.4 zu entnehmen.

108 Koordinierungskreis zur Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung und Ernährungsbildung (2014). Rahmenvereinbarung zur Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung und Ernährungsbildung in Deutschland in der Fassung vom 16.06.2014. S. 8 (Internet: http://www.dge.de/pdf/fb/14-06-16-KoKreis-EB-RV.pdf).

109 Entsprechend den themenbezogenen Inhalten eines der folgenden Curricula: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE): Ernährungsberater/DGE, Ernährungsmedizinischer Berater/DGE (www.dge.de); Verband der Diätassistenten – Deutscher Bundesverband e. V. (VDD): VDD-Fortbildungszertifikat (www.vdd.de); Verband der Oecotrophologen e. V. (VDOE): Zertifikat Ernährungsberater VDOE (www.vdoe.de); Verband für Ernährung und Diätetik e. V. (VFED): VFED-Zertifizierung (www.vfed.de); Institut für Qualitätssicherung in der Ernährungstherapie und Ernährungsberatung e. V. (QUETHEB): QUETHEB-Registrierung (www.quetheb.de); Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung e. V. (UGB): Ernährungsberater UGB (www.ugb.de).

110 Bundesärztekammer & Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (2007). Strukturierte curriculare Fortbildung „ERNÄHRUNGSMEDIZIN“. Lehr- und Lerninhalte für die Fortbildungskurse zur Ernährungsmedizin nach den Richtlinien der Bundesärztekammer. 2. Aufl. (www.baek.de).

 

5.6.3 Stressmanagement

Psychosozialer Stress stellt einen bedeutsamen (mit-)verursachenden, auslösenden oder aggravierenden Faktor für viele der heute sozialmedizinisch besonders relevanten kardiovaskulären, muskulo-skelettalen, immunologischen, psychosomatischen und psychischen Erkrankungen dar 111 . Insbesondere chronische psychobiologische Stressreaktionen gefährden im Zusammenhang mit einer unausgeglichenen Beanspruchungs-Erholungs-Bilanz, einer nachhaltigen Schwächung des Immunsystems sowie einem zunehmenden gesundheitlichen Risikoverhalten als inadäquatem Bewältigungsverhalten die körperliche wie psychische Gesundheit. Dabei ist davon auszugehen, dass aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen, wie etwa den zunehmenden Anforderungen an Mobilität, Flexibilität und Leistungsbereitschaft sowie der zunehmenden Auflösung traditionsbestimmter Sinn-, Werte- und Sozialstrukturen, das Belastungsniveau für den Einzelnen zukünftig eher noch steigen wird.

Bedarf:
Bereits im Kindes- und Jugendalter lassen sich vielfältige Symptomatiken finden, die mit einem Stresserleben in Zusammenhang gebracht werden können. In der internationalen WHO-Vergleichsstudie Health Behaviour in School-aged Children wurden 2001 und 2002 repräsentative Stichproben 11-, 13- und 15-jähriger aus 35 Ländern befragt 112 . Unter den erfassten Symptomen werden Müdigkeit bzw. Erschöpfung am häufigsten berichtet. 25 % fühlen sich „fast täglich“ oder „mehrmals in der Woche“ müde oder erschöpft, 21 % erleben dies nach eigenen Angaben „fast jede Woche“. Danach folgen Einschlafschwierigkeiten mit 14 % bzw. 11 % und Gereiztheit und schlechte Laune (14 % bzw. 17 %). Unter den Schmerzsymptomen werden Kopfschmerzen am häufigsten genannt (12 % erleben sie fast täglich oder mehrmals in der Woche, 12 % fast jede Woche), gefolgt von Rückenschmerzen mit 8 % bzw. 9 % und Bauchschmerzen, die von 7 % mehrmals wöchentlich und von 9 % fast jede Woche erlebt werden 113 . Wie auch andere Studien zeigen, stehen die Symptomangaben von Kindern und Jugendlichen mit dem Ausmaß des Stresserlebens in Beziehung: Je mehr Stress erlebt wird, desto höher fallen die Symptomangaben aus 114 .

Für die Gruppe der Erwachsenen konnten negative somatische und psychische Effekte hoher Stressbelastung in prospektiven Studien nachgewiesen werden 115 . Querschnittstudien zeigen, dass die Intensität und Häufigkeit des Stresserlebens in einem engen Zusammenhang mit dem sozio-ökonomischen Status, der wahrgenommenen sozialen Unterstützung sowie gesundheitlichen Beschwerden, wie z. B. depressiven Symptomen, dem Gefühl des Ausgebranntseins sowie Schlafstörungen, stehen 116 . Die Bedeutung des Stresserlebens für die Entwicklung gesundheitlicher Beschwerden ist dabei interindividuell und situationsbedingt unterschiedlich ausgeprägt.

Stressmanagement:
Ebenen der Stressbewältigung Zur Primärprävention der durch Stress (mit-) bedingten Erkrankungen haben sich Programme des multimodalen Stressmanagements bewährt, die sowohl das Stressbewältigungsverhalten, das Stresserleben als auch die psychophysischen Reaktionen gesundheitsförderlich verändern können. Diese Programme unterstützen die individuelle Stressbewältigung auf folgenden Ebenen:

Abb. 5: Gliederung des Handlungsfeldes Stressmanagement

Instrumentelles Stressmanagement setzt an den Stressoren an mit dem Ziel, diese zu reduzieren oder sie ganz auszuschalten, z. B. durch Umorganisation des Arbeitsplatzes, durch Veränderung von Arbeitsabläufen, durch die Organisation von Hilfen etc. Instrumentelles Stressmanagement kann sowohl auf konkrete, aktuelle Belastungssituationen (reaktiv) als auch auf die Verringerung oder Ausschaltung zukünftiger Belastungen (präventiv) ausgerichtet sein. Instrumentelles Stressmanagement erfordert Sachkompetenz, sozialkommunikative Kompetenzen und Selbstmanagementkompetenz als Fähigkeit zu einem eigengesteuerten und zielgerichteten Handeln.

Kognitives Stressmanagement zielt auf eine Änderung von persönlichen Motiven, Einstellungen und Bewertungen. Auch hier können sich die Bewältigungsbemühungen auf aktuelle Bewertungen in konkreten Belastungssituationen oder auf situationsübergreifende, habituelle Bewertungsmuster beziehen. Diese bewusst zu machen, kritisch zu reflektieren und in Stress vermindernde Bewertungen zu transformieren, ist das Ziel kognitiver Interventionsansätze der Stressbewältigung.

Beim palliativ-regenerativen Stressmanagement steht die Regulierung und Kontrolle der physiologischen und psychischen Stressreaktion im Vordergrund. Auch hier kann unterschieden werden zwischen solchen Bewältigungsversuchen, die zur kurzfristigen Erleichterung und Entspannung auf die Dämpfung einer akuten Stressreaktion abzielen (Palliation), sowie eher längerfristigen Bemühungen, die der regelmäßigen Erholung und Entspannung dienen (Regeneration).

Zur Primärprävention der mit Stress assoziierten gesundheitlichen Probleme eignen sich auch Entspannungstrainings, bei denen die unter Stress auftretende psychophysische Aktivierung reguliert wird. Entspannungstrainings sind ein Element multimodaler Stressmanagementprogramme, können aber auch als eigenständige Maßnahme durchgeführt werden (s. vorstehende Abbildung).

Bei der Entscheidung, ob eher multimodale oder rein entspannungsorientierte Verfahren zum Einsatz gelangen sollen, spielen vor allem die Problemlage und die Art der Zielgruppe eine Rolle. So ist es beispielsweise nicht sinnvoll, (nur) auf die Einübung von Entspannung zu setzen, wenn konkrete Stressoren vorliegen, auf die mit einem instrumentellen Vorgehen Einfluss genommen werden kann.

Weiterhin sind für manche Zielgruppen reine Entspannungstrainings weniger geeignet. So werden beispielsweise für das Kindesalter bei einer primärpräventiven Ausrichtung eher multimodale Trainings empfohlen, die nicht nur eine emotionsregulierende Ausrichtung enthalten.

Präventionsprinzip: Förderung von Stressbewältigungskompetenzen (Multimodales Stressmanagement)

Wirksamkeit:
Meta-Analysen einschlägiger Evaluationsstudien konnten die auch längerfristige Wirksamkeit von Maßnahmen zur Stressbewältigung besonders im Hinblick auf eine Reduzierung von körperlichen Risikofaktoren und Beschwerden sowie negativer psychischer Befindlichkeit (Ängstlichkeit, Depressivität) sowie einen Rückgang von Ärger- und Feindseligkeitsreaktionen belegen. Verbesserungen bei der individuellen Bewältigung konnten ebenfalls in mehreren Studien nachgewiesen werden 117 .

Ziel der Maßnahme:
Maßnahmen zum multimodalen Stressmanagement zielen darauf ab, negative Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit aufgrund von chronischen Stresserfahrungen zu vermeiden, indem die individuellen Bewältigungskompetenzen gestärkt werden mit dem Ziel eines möglichst breiten Bewältigungsrepertoires und einer möglichst hohen Flexibilität im Umgang mit Stressbelastungen. Die Bewältigungsbemühungen müssen auf allen drei oben beschriebenen Ebenen des Stressmanagements ansetzen.

Zielgruppe:
Die Maßnahmen richten sich an Versicherte mit Stressbelastungen, die lernen wollen, damit sicherer und gesundheitsbewusster umzugehen, um dadurch potenziell behandlungsbedürftige Stressfolgen zu vermeiden. Die Maßnahmen können auch für spezielle Zielgruppen zur Bewältigung spezifischer Belastungen (z. B. familiäre Überlastung, berufliche Überlastung – auch durch Schichtarbeit –, psychosoziale Belastungen infolge von Arbeitslosigkeit) durchgeführt werden. Kinder ab acht Jahren können an spezifisch auf diese Altersgruppe ausgerichteten Programmen unter Einbeziehung der Familie teilnehmen. Für Versicherte mit akut behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen sind die Maßnahmen kontraindiziert.

Inhalt:
In multimodalen Stressmanagementprogrammen werden mehrere unterschiedliche Interventionsmethoden auf der Basis eines kognitiv-verhaltens- therapeutischen Interventionsansatzes integriert, um auf den Ebenen des instrumentellen, des kognitiven und des palliativ-regenerativen Stressmanagements anzusetzen. Die dabei am häufigsten genutzten Interventionsmethoden sind:
• Vermittlung von Selbstmanagement-Kompetenzen, wie systematisches Problemlösen Zeitmanagement und persönliche Arbeitsorganisation
• Vermittlung von Methoden der kognitiven Umstrukturierung mit dem Ziel der Einstellungsänderung und positiven Selbstinstruktion
• Vermittlung psychophysiologischer Entspannungsverfahren
• Training von selbstbehauptendem Verhalten und sozial-kommunikativen Kompetenzen

Möglich sind auch über das reine Stressmanagement hinausgehende Bausteine bzw. Maßnahmen, die Achtsamkeit und Resilienz als grundlegende gesundheitliche Ressourcen stärken.

Methodik:
Bei Stressmanagementtrainings handelt es sich um systematische kognitiv-verhaltenstherapeutische Programme, die sich an Gruppen richten und an den individuellen Stressproblemen der Teilnehmenden orientiert sind. Die Trainings enthalten eine praktische Einübung von Stressreduktions- und Entspannungsmethoden sowie Anleitungen für Übungen außerhalb der Trainingssitzungen, um einen Transfer in den Alltag zu gewährleisten.

Anbieterqualifikation:
Zur Durchführung von multimodalen Stressbewältigungstrainings kommen Fachkräfte aus dem Bereich der psychosozialen Gesundheit in Betracht, die über einen staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss verfügen, insbesondere:
• Psychologin/Psychologe (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor),
• Pädagogin/Pädagoge (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor, Staatsexamen),
• Sozialpädagogin/Sozialpädagoge sowie Sozialarbeiterin/Sozialarbeiter (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor),
• Sozialwissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor),
• Gesundheitswissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor) sowie
• Ärztin/Arzt mit Zusatzqualifikation im Bereich Stressmanagement (Einweisung in das durchzuführende Stressbewältigungsprogramm).

Präventionsprinzip: Förderung von Entspannung (Palliativ-regeneratives Stressmanagement)

Wirksamkeit:
Es existieren mehrere Entspannungsverfahren, die sich in der Praxis bewährt haben und deren Wirksamkeit empirisch belegt ist 118 . Durch das Erlernen eines Entspannungsverfahrens wird die Fähigkeit zur Selbstregulation von psychophysischen Stressreaktionen verbessert. Die verschiedenen Entspannungsverfahren lösen ungeachtet ihrer methodischen Unterschiede eine sogenannte Entspannungsreaktion aus 119 .

Ziel der Maßnahme:
Entspannungsverfahren zielen darauf ab, physischen und psychischen Spannungszuständen vorzubeugen bzw. diese zu reduzieren. Sie setzen damit im Wesentlichen auf der Ebene des palliativ-regenerativen Stressmanagements an. Die zu erlernende Entspannungsreaktion stellt den Gegenpol zu den unter Stress auftretenden körperlichen Reaktionen dar. Im Verlaufe eines Entspannungstrainings wird durch regelmäßiges Üben die selbstständige Auslösung der Entspannungsreaktion gebahnt und für den alltäglichen Einsatz stabilisiert.

Zielgruppe:
Versicherte mit Stressbelastungen, die ein Verfahren zur gezielten Dämpfung der akuten Stressreaktion erlernen und über dessen regelmäßige Anwendung zu vegetativ wirksamer Erholung und Regeneration finden möchten. Kinder ab sechs Jahren können an spezifisch auf diese Altersgruppe ausgerichteten Entspannungstrainings unter Einbeziehung der Familie teilnehmen. Für Versicherte mit akut behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen sind die Maßnahmen kontraindiziert.

Inhalt:
Als Maßnahmen zur Förderung der Entspannung kommen in Betracht:
• Progressive Relaxation (PR) nach Edmund Jacobson
• Autogenes Training (AT) – Grundstufe – nach Johannes-Heinrich Schultz
• Hatha Yoga
• Tai Chi
• Qigong 120

Methodik:
Verhaltensorientierte Gruppenberatung mit Erläuterung der psychophysischen Wirkzusammenhänge von Stress und Entspannung, Einübung des Entspannungsverfahrens sowie Anleitung für Übungen außerhalb der Trainingssitzungen, um einen Transfer in den Alltag zu gewährleisten.

Anbieterqualifikation:
Zur Durchführung der Entspannungstrainings PR und AT kommen zusätzlich zu den für multimodale Stressbewältigungstrainings geeigneten Anbieterinnen und Anbietern (s. Präventionsprinzip Förderung von Stressbewältigungskompetenzen) auch Fachkräfte mit insbesondere den nachstehenden Qualifikationen in Betracht:
• Sportwissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Staatsexamen, Magister, Master, Bachelor),
• Sport- und Gymnastiklehrer/in,
• Physiotherapeut/in, Krankengymnast/in,
• Ergotherapeut/in,
• Erzieher/in,
• Gesundheitspädagogin/Gesundheitspädagoge (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor),
• Heilpädagogin/Heilpädagoge
mit Zusatzqualifikation im Bereich Entspannung (Nachweis einer entsprechenden Qualifikation als Trainingsleiterin/Trainingsleiter im jeweiligen Verfahren im Umfang von mindestens 32 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten in Präsenzunterricht).

Für die fernöstlichen Verfahren Hatha Yoga, Tai Chi, Qigong kommen weiter Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss in einem Gesundheits- oder Sozialberuf in Betracht, denen durch die jeweiligen Fachorganisationen für Hatha Yoga, Tai Chi und Qigong nach den dort gültigen Ausbildungsstandards eine entsprechende Zusatzqualifikation bescheinigt wird 121 . Aus dieser muss die Befähigung zu einer Tätigkeit als Trainingsleiterin oder Trainingsleiter hervorgehen 122 . Die Ausbildung muss bei Yoga mindestens 500 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten und bei Qigong oder Tai Chi mindestens 300 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten in Präsenzunterricht umfassen. Die nachzuweisende Mindestdauer der Ausbildung in einem der genannten fernöstlichen Verfahren beträgt mindestens zwei Jahre.

____________________________

111 Björntorp, P. (2001). Heart and Soul: Stress and the metabolic syndrome. Scandinavian Cardiovascular Journal, Jg. 35. S. 172-177.; Glaser, R., Kiecolt-Glaser, J.K. (2005). Stress-induced immune dysfunction: implications for health. Nature Rev. Immunol. Jg. 5. S. 243-251; Siegrist, J. (2001). Psychosoziale Einflüsse auf Entstehung und Verlauf der koronaren Herzkrankheit. Herz, 26, S. 316-325; Rensing, L. et. al. (2006). Mensch im Stress. Psyche – Körper – Moleküle. München.

112 Currie, C. Roberts, C., Morgan, A., Smith, R., Settertobulte, W., Samdal, O. & Rasmussen, V.B. (2004). Young people’s health in context. Health behaviour in schoolaged children (HBSC) study: International report from the 2001/2002 survey. Copenhagen; Word Health Organization. Eine ausführliche Beschreibung und Interpretation der Ergebnisse der deutschen Teilstichprobe mit 5.640 Kindern und Jugendlichen findet sich bei Hurrelmann, K., Klocke, A., Melzer, W. & Ravens-Sieberer, U. (Hrsg.) (2003). Jugendgesundheitssurvey. Internationale Vergleichsstudie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO. Weinheim.

113 S. zusammenfassend Klein-Heßling, J. (2005). Gesundheit im Kindesalter: Symptomatik, gesundheitsförderliches und gesundheitsriskantes Verhalten. Erscheint in A. Lohaus, M. Jerusalem & J. Klein-Heßling (Hrsg.), Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter. Göttingen.

114 Lohaus, A., Beyer, A. & Klein-Heßling, J. (2004). Stresserleben und Stresssymptomatik bei Kindern und Jugendlichen. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 36, 38-46.

115 Chandola, T., Brunner, E. & Marmot, M. (2006). Chronic stress at work and the metabolic syndrome: prospective study. British Medical Journal. doi: 10.1136/bmj; Dragano, N., He, Y. et al. (2008). Two models of job stress and depressive symptoms. Results from a population-based study. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology 43 (1) 72-78.

116 Z. B. Hapke et al (2013). Chronischer Stress bei Erwachsenen in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt. Jg. 56. S. 749-754. (online unter: DOI 101007/s00103-013-1690-9).

117 Korczak, D.; Steinhauser, G. & Dietl, M. (2011). Effektivität von Maßnahmen im Rahmen primärer Prävention am Beispiel kardiovaskulärer Erkrankungen und des metabolischen Syndroms. (Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information. Schriftenreihe Health Technology Assessment Bd. 110). Vgl. insb. S. 56 f. Kaluza, G. (1997). Evaluation von Streßbewältigungstrainings in der primären Prävention – eine Meta-Analyse (quasi-) experimenteller Feldstudien. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie. Jg. 5. S. 149-169. Kaluza, G. (1999). Sind die Effekte eines primärpräventiven Stressbewältigungstrainings von Dauer? Eine randomisierte, kontrollierte Follow-up-Studie. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, Jg. 7. S. 88-95; Ders. (1999). Mehr desselben oder Neues gelernt? – Veränderungen von Bewältigungsprofilen nach einem primärpräventiven Stressbewältigungstraining. Zeitschrift für Medizinische Psychologie. Jg. 8. S. 73-84.

118 Linden, W., Chambers, L. (1994). Clinical Effectiveness of Non-Drug Treatment for Hypertension: A Meta-Analysis. Annals of Behavior Medicine 16 (1), 35-45; Stetter, F., Kupper, S. (2002). Autogenic Training: A Meta-Analysis of Clinical Outcome Studies. Applied Psychophysiology and Biofeedback 27, 45-98.

119 Vaitl, D., Petermann, F. (Hrsg.) (1993). Handbuch der Entspannungsverfahren. Bd 1: Grundlagen und Methoden. Weinheim.

120 Die Förderung ist auf entspannungsorientierte Hatha Yoga-, Tai Chi- und Qigong-Maßnahmen beschränkt. Vornehmlich bewegungs-, workout- bzw. an der Kampfkunst orientierte Maßnahmen sowie Maßnahmen mit therapeutischer oder weltanschaulicher Ausrichtung sind ausgeschlossen.

121 Z. B.: Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland e. V. BDY/EYU; Deutsche Yoga Gesellschaft DYG; Iyengar Yoga Vereinigung Deutschland IYVD; Berufsverband Unabhängiger Gesundheitswissenschaftlicher Yoga-Lehrender BUGY; Deutscher Dachverband für Qigong und Taijiquan DDQT; Prüfkommission Qigong Uni Oldenburg; Medizinische Gesellschaft für Qigong Yangsheng, Bonn.

122 Inhaber eines staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschlusses außerhalb des Gesundheits- oder Sozialbereichs kommen als Kursleiter für Hatha Yoga, Tai Chi oder Qigong nur in Betracht, wenn zusätzlich zu den o. g. Anforderungen an die Zusatzqualifikation mindestens 200 Stunden entsprechende Kursleitererfahrung nachgewiesen werden.

5.6.4 Suchtmittelkonsum

Rauchen sowie Alkoholkonsum gehören zu den Gesundheitsrisiken unserer Gesellschaft, die – in unterschiedlichem Ausmaß – in allen Schichten und Altersgruppen vertreten sind.

Für Kinder und Jugendliche kommt es vorrangig darauf an, den Einstieg in den Konsum von Tabak, Alkohol und anderen Drogen zu verhindern. Hierfür sind in erster Linie Maßnahmen nach dem Setting-Ansatz (s. Kapitel 4) geeignet.

Die individuell ausgerichteten GKV-Präventionsangebote zielen darauf ab, Versicherte für einen verantwortlichen Konsum von Alkohol zu sensibilisieren und das Nichtrauchen zu fördern. Vorrangig auf das Individuum gerichtete Angebote sind erfolgreich, wenn sie von strukturellen Maßnahmen flankiert werden und wenn ein gesellschaftlicher Wertewandel bezüglich des Suchtmittelkonsums verstärkt wird. Dies ist allerdings eine gesellschaftspolitische Querschnittsaufgabe, die strukturell, konzeptionell und finanziell ausgestaltet werden muss, um Effektivität zu entfalten.

Probleme des Suchtmittelkonsums beziehen sich nicht nur auf die legalen Drogen wie Alkohol und Nikotin, sondern ebenso auf illegale Drogen und Medikamente mit Suchtpotenzial. Die inhaltliche Schwerpunktsetzung der GKV-Präventionsansätze auf die beiden legalen Drogen Alkohol und Tabak erklärt sich einerseits mit dem hohen Verbreitungsgrad (siehe Bedarf) und andererseits auch mit dem Vorliegen wirksamer Interventionskonzepte (siehe Wirksamkeit, Inhalte, Methodik). Bezogen auf illegale Drogen und bezogen auf die Zielgruppe Kinder und Jugendliche stoßen individuell ausgerichtete Präventionsangebote an ihre Grenzen. Hier ist nur ein Bündel unterschiedlichster Maßnahmen (sog. Policy-Mix) Erfolg versprechend und ist nur zu leisten, wenn vorrangig auch die anderen gesellschaftlichen und politischen Akteurinnen und Akteure an der Gestaltung der Rahmenbedingungen zusammenwirken 123 . Damit wird die Bedeutung von parallelen Ansätzen zur Gestaltung der unterschiedlichen Lebensverhältnisse unterstrichen, ohne die Angebote zur verhaltensbezogenen Prävention letztlich nicht wirksam greifen.

Präventionsprinzip: Förderung des Nichtrauchens

Bedarf:
Rund 30 % der erwachsenen Bevölkerung – ca. 33 % der Männer und 27 % der Frauen – rauchen. 24 % der Raucherinnen und Raucher konsumieren 20 und mehr Zigaretten täglich und gelten damit nach der WHO-Definition als starke Raucherinnen und Raucher, 36,6 % konsumieren 1-9 Zigaretten und 39,4 % 10-19 Zigaretten täglich 124 . Das in Tabakprodukten enthaltene Nikotin ist stark suchterzeugend und provoziert eine Fortsetzung des Konsums und eine Dosissteigerung.

Rauchen ist der bedeutsamste einzelne individuell vermeidbare Risikofaktor für die Entstehung und die Verschlimmerung von mehr als 40 meist chronischen Krankheiten. Hierzu gehören Herz-Kreislauf-Krankheiten, chronische Atemwegserkrankungen, Diabetes sowie viele Krebserkrankungen z. B. im Mund-, Nasen- und Rachenraum, im Kehlkopf, in der Speiseröhre, in der Lunge, im Magen, in der Bauchspeicheldrüse, in Leber, Niere, Harnblase und in der Gebärmutter. Bei regelmäßigem Tabakkonsum weiblicher Jugendlicher ist deren erhöhtes Brustkrebsrisiko belegt. Der rauchbedingte Anteil an der gesamten Lungenkrebssterblichkeit beträgt in Deutschland bei Männern 91 %, bei Frauen 75 %. Die um 60 % gestiegene Lungenkrebssterblichkeit bei Frauen in Deutschland zwischen 1980 und 1997 ist im Wesentlichen auf die Zunahme ihres Tabakkonsums in den vergangenen Jahrzehnten zurückzuführen. Allein in Deutschland sterben jährlich zwischen 100.000 und 120.000 Menschen an tabakbedingten Krankheiten 125 .

Das Rauchen ist aber nicht ausschließlich ein persönliches Gesundheitsrisiko der jeweiligen Raucherin oder des Rauchers. Durch das Passivrauchen werden auch nichtrauchende Personen belastet, die ebenfalls ein erhöhtes Erkrankungsrisiko an einigen der o. g. Erkrankungen haben. Bei Kindern erhöht sich z. B. das Risiko von akuten oder chronischen Entzündungen der unteren Atemwege um 50 bis 100 %, wenn sie dem Passivrauch ausgesetzt sind.

Bezogen auf Präventionsbemühungen bei Kindern und Jugendlichen gilt, dass individuelle Maßnahmen mit settingorientierten Maßnahmen zusammen greifen müssen und die Wirksamkeit der Interventionen von einem umfassenden Policy- Mix (s. Präventionsprinzip „Gesundheitsgerechter Umgang mit Alkohol/Reduzierung des Alkoholkonsums“) abhängt.

Wirksamkeit:
Ein Rauchverzicht – unabhängig vom Alter des Rauchers – trägt entscheidend zur Verminderung von Gesundheitsrisiken bei. Das gilt für die Folge- erkrankungen des Rauchens ebenso wie für die Tabakintoxikation und Tabakabhängigkeit. Bereits kurzfristig nach dem Rauchstopp normalisieren sich Körperfunktionen: Senkung des Kohlenmon- oxidgehalts im Blut, Erhöhung des Sauerstoffspie- gels, Stabilisierung des Kreislaufs, Verbesserung der Lungenfunktion. Das Risiko, an einer durch das Rauchen verursachten Herzerkrankung zu sterben, ist ein bis zwei Jahre nach dem Auf- hören halbiert. Die Risiken anderer Erkrankungen (Krebserkrankungen, Lungenkrankheiten, Schlaganfall und andere Gefäßerkrankungen) verringern sich ebenfalls – wenn auch langsamer. Die Wirkung unterstützender Interventionen zum Rauchstopp und zur Reduzierung des Zigaret- tenkonsums als Teilschritt zum Rauchstopp ist belegt 126 .

Zielgruppe:
Rauchende Versicherte (zielgruppenspezifische Ansprachen z. B. für Schwangere, junge Familien bzw. Eltern, arbeitslose Männer)

Ziel der Maßnahme:
Beendigung des Tabakkonsums, dadurch auch Förderung des Nichtraucherschutzes (hier insbesondere bezogen auf schwangere Frauen mit ihrem noch ungeborenen Kind, Kinder und Jugendliche)

Inhalt:
• Aufklärung über die gesundheitlichen Risiken des Rauchens
• Analyse des persönlichen Rauchverhaltens,
• Klärung von subjektiven Gründen, Überzeugungen und Gedanken zum Konsum bzw. zum Nichtrauchen
• Darstellung der psychologischen und physiologischen Effekte des Rauchens
• Darstellung der psychologischen und physiologischen Effekte des Entzugs
• Festlegung des Rauchstopps
• Angebot zur Nachbetreuung (Wiederholungsangebot, Telefonkontakt)
• Aufklärung über Einsatz und Wirkungsweise von nikotinhaltigen Präparaten (gemäß § 34 SGB V keine Leistung der Krankenkassen) und anderen medikamentösen Hilfen zur Tabakentwöhnung
• Informationen zu Strategien der Rückfallprävention

Methodik:
• Kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierte Gruppenberatung
• Informationsvermittlung zum Ausstieg (stufenweiser Ausstieg oder Ausstieg in einem Schritt)
• Motivationsstärkung

Anbieterqualifikation:
Zur Durchführung entsprechender Maßnahmen kommen Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss im Bereich psychosoziale Gesundheit in Betracht, insbesondere:
• Psychologin/Psychologe (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor),
• Pädagogin/Pädagoge (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor, Staatsexamen),
• Sozialpädagogin/Sozialpädagoge sowie Sozialarbeiterin/Sozialarbeiter (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor),
• Sozialwissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor),
• Gesundheitswissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor),
• Ärztin/Arzt mit ausgewiesener Zusatzqualifikation (Einweisung in das durchzuführende Tabakentwöhnungsprogramm).

Präventionsprinzip: Gesundheitsgerechter Umgang mit Alkohol/Reduzierung des Alkoholkonsums

Bedarf:
Alkoholische Getränke werden von rund 90 % der erwachsenen Bevölkerung an mindestens einer Gelegenheit im Jahr konsumiert. Der Pro-Kopf- Konsum der Bevölkerung in Litern reinen Alkohols liegt – nach einer bis 2010 zunächst rückläufigen Tendenz – im Jahr 2012 bei 9,5 l und damit auf dem gleichen Niveau wie in den beiden Vorjahren. In Deutschland weisen 14,2 % der erwachsenen Bevölkerung (=7,3 Mio. Menschen) einen riskanten Alkoholkonsum 127 auf. Von diesen sind 1,8 Mio. Menschen als alkoholabhängig einzustufen 128 .

Zu den gesundheitlichen Folgen eines riskanten Alkoholkonsums zählt eine Vielzahl von somatischen und psychischen Erkrankungen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Schädigungen unbeteiligter Dritter z. B. durch Unfälle oder Kriminalität unter Alkoholwirkung. Ein hoher Alkoholkonsum wird in der Allgemeinheit meist ausschließlich mit dem Risiko der Suchterkrankung und seinen körperlichen und psychosozialen Folgen in Verbindung gebracht. Weniger im Bewusstsein ist die Wirkung eines – sozial meist relativ unauffälligen – regelmäßigen Risikokonsums. Zu diesen Störungen gehören Erkrankungen der Leber, der Lunge, des Magen-Darm-Traktes, der Bauchspeicheldrüse, neurologische Störungen (z. B. Schlaganfall), Herz-Kreislauf- sowie diverse Krebserkrankungen, Bluthochdruck, Ernährungsstörungen und andere Erkrankungen.

Die Reduzierung des Alkoholkonsums, die Sensibilisierung für einen risikoarmen Konsum sowie die Förderung einer Motivation zur Abstinenz in relevanten Situationen (z. B. bei Schwangerschaft, im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz, im Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten) haben einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit. Damit gehören sie zu den wesentlichen Zielen der Maßnahmen innerhalb dieses Handlungsfeldes.

Wirksamkeit:
Vorhandene Studien belegen, dass eine Reduzierung der individuellen Konsummenge das Erkrankungsrisiko für eine Vielzahl der mit dem Alkoholkonsum in Verbindung stehenden Erkrankungen senkt.

Zielgruppe:
• Versicherte mit riskantem Alkoholkonsum (i. d. R. bis 60 g Reinalkohol pro Tag für Männer, bis 40 g für Frauen) 129
• Jugendliche Versicherte mit riskantem Konsummuster nur dann, wenn die Maßnahme in verhältnispräventive Aktivitäten auf kommunaler Ebene eingebettet ist Das Vorliegen einer Abhängigkeitserfahrung/ -erkrankung gilt als Kontraindikation für Maßnahmen nach § 20 Abs. 1 SGB V.

Ziel der Maßnahme:
• Stärkung der Motivation für den gesundheitsbewussten Umgang mit Alkohol
• Information über gesundheitliche Effekte durch risikoarmen Konsum
• Hilfe bei der Entwicklung individueller Strategien zur Reduzierung des Alkoholkonsums
• Analyse der eigenen Belastungssituationen und Problemlösungsstrategien, die für die Veränderung des Trinkverhaltens relevant sind
• Stärkung persönlicher Kompetenzen und Ressourcen zum gesundheitsgerechten Umgang mit Belastungen

Inhalt:
• Aufklärung über die gesundheitlichen Wirkungen des riskanten Alkoholkonsums
• Reflexion des individuellen Trinkverhaltens
• Grenzwerte des riskanten Alkoholkonsums
• Wechselwirkung von Alkohol- und Nikotinkonsum
• Umgang mit Risikosituationen
• Stärkung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung

Methodik:
• Kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierte Gruppeninterventionen (z. B. Selbstbeobachtung, Protokollierung, Rollenspiel, Visualisierung)
• Informationsvermittlung über Möglichkeiten zur Reduzierung des Alkoholkonsums
• Motivationsstärkung
• Anleitung zur Einbeziehung des sozialen Umfeldes

Ergänzt werden können diese Methoden durch Einbindung moderner Kommunikationsmedien (z. B. Internetangebote, Hotline-Beratung).

Anbieterqualifikation:
Zur Durchführung entsprechender Maßnahmen kommen Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss im Bereich psychosoziale Gesundheit in Betracht, insbesondere:
• Psychologin/Psychologe (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor)
• Pädagogin/Pädagoge (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor, Staatsexamen)
• Sozialpädagogin/Sozialpädagoge sowie Sozialarbeiterin/Sozialarbeiter (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor)
• Sozialwissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor)
• Gesundheitswissenschaftler/in (Abschlüsse: Diplom, Magister, Master, Bachelor)
• Ärztin/Arzt
mit qualifizierter beruflicher Erfahrung in der Suchtprävention und Suchtberatung oder mit aus- gewiesener Zusatzqualifikation im Suchtbereich (Einweisung in das durchzuführende Programm).

____________________________

123 Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (Hrsg.) (2004). „gesundheitsziele.de“ – Forum zur Entwicklung und Umsetzung von Gesundheitszielen in Deutschland. Berlin. Kapitel 8.

124 Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung (2013). Drogen- und Suchtbericht. Mai 2013. Berlin. S. 25.

125 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (2014). Jahrbuch Sucht. Lengerich. S. 24.; Bornhäuser, A. (2002). Gesundheit fördern – Tabakkonsum verringern: Handlungsempfehlungen für eine wirksame Tabakkontrollpolitik in Deutschland, hrsg. vom Deutschen Krebsforschungszentrum, Heidelberg; Goecke, M. (2002). Rauchfrei am Arbeitsplatz. Ein Leitfaden für Betriebe. Köln/Bonn.

126 Dies gilt für länger angelegte Kursmaßnahmen: Rasch, A. & Greiner, W. (2009). Wirksamkeit und Kosteneffektivität von Raucherentwöhnungskursen in der GKV: eine Literaturübersicht. Gesundheitswesen. Jg. 71. S. 732-738; die Ergebnisse der wenigen Studien zu eintägigen Kompaktangeboten mit kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierter Gruppenberatung deuten auf eine Wirksamkeit auch dieser Maßnahmen hin: Vgl. z. B. Csillag, H., Feuerstein, A., Herbst, A. & Mooshammer, H. (2005). Langzeiterfolg betrieblicher Nichtraucher-Seminare. Sichere Arbeit 6/2005: 28-34. Die Entscheidung, ggf. auch Eintageskurse zu fördern, die im übrigen alle Kriterien des GKV-Leitfadens erfüllen müssen, bleibt der einzelnen Krankenkasse überlassen.

127 Das Wissenschaftliche Kuratorium der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) benennt folgende Grenzwerte für einen risikoarmen und riskanten Konsum: Risikoarmer Konsum: 1-24 g Reinalkohol/Tag Männer, 1-12 g Reinalkohol/Tag Frauen Riskanter Konsum: 25-60 g Reinalkohol/Tag Männer, 13-40 g Reinalkohol/Tag Frauen; Gefährlicher Konsum: > 60 g Reinalkohol/Tag Männer, > 40 g Reinalkohol/Tag Frauen.

128 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (2014). Jahrbuch Sucht. Lengerich. S. 9.

129 Beispiel: 10 g Reinalkohol entsprechen 0,25 l Bier, 0,1 l Wein oder 0,02 l Spirituosen.